Der Baum ist die Leyer,
Der Sänger der Wind,
Er weiß sie zu spielen,
Bald stark und bald lind.
Er singet Balladen,
Er schmeichelt, er preist,
Erzählt, wie er sieghaft
Die Welt hat umkreist.
Es flüstert die Leyer,
Sie braust und sie weint,
Und hat mit den Liedern
Ihr Tönen vereint.
Und unten der Wildbach
Wird rasend und schäumt,
Die fliehende Wolke
Kommt näher und träumt.
Die Gräser und Blumen
Verneigen sich sacht,
Der Felsen giebt Antwort,
Auch er ist erwacht.
Berauschet vor Liebe
Erzittert Natur,
Der Baum ist die Leyer,
Der Wind Troubadour.
aus: Meine Ruh von Carmen Sylva
Höhen und Tiefen
Zweite Auflage Berlin 1885