Ein Fragment
Wer hat zuerst von unsern weisen Thoren
Die Hoffnung letzte Trösterinn genannt?
Er hatte Hab' und Gut vielleicht verloren;
Verlust der Liebe hat er nie gekannt.
Mir sprossen, blüh'n und welken keine Blüthen.
Dem Winter folgt der Lenz im Wechselflug;
Mir die verlornen Freuden zu vergüten,
Ist selbst die Ewigkeit nicht reich genug.
Von Nahmen und von Zeichen will ich leben,
Will Heloise rufen früh und spät.
Wenn meine Lippen im Gebethe beben,
So laute Heloise mein Gebeth.
O, Heloise! Spielt um deine Sinne
Ein gleicher Traum beym Nahmen Abelard,
So labe, lab' am nichtigen Gewinne
Den Busen, der auf mehr vergebens harrt.
Und welkt die letzte Ros' auf deiner Wange;
Und ruft der Tod: "Bald hast du ausgebüßt!"
Doch weine, weine Trost dir selbst, so lange
Der Thränen und des Lebens Quelle fließt!
Komm, Himmelsbild! Enthebe dich dem Staube!
Laß mich den Schleyer dir vom Auge zieh'n!
Komm' mit mir in die Nachtigallenlaube,
Wo im geschloss'nen Grün Jasminen blüh'n!
Wie dort die graue Mauer gegen über
Der Epheu still mit tausend Armen herzt!
Wie da die Meise zwitschert, wenn ihr Lieber
In leichten Flügen ihr vorüber scherzt!
Was beth' ich, wenn ich nirgend wieder finde,
Was diese Brust mit voller Gnüge letzt?
Wie? Dieses Seufzen wäre Sünde?
Hat Andacht schon, was ich verlor, ersetzt?
Vergebens sing' ich Chorgesang und Psalme.
Sie lindern nicht den nahmenlosen Schmerz.
Vergebens greif' ich nach des Himmels Palme.
Sie duftet nicht wie meine Ros' in's Herz.
Ein Heiliger weiß nichts von meinem Heile.
Sein Herz ist, wie sein Bild im Tempel, stumm.
Mir gilt von Heloisen eine Zeile
Mehr als ein ganzes Evangelium.
Mein Leben ist nur eine Todesstunde,
Und auf uns Beyde wartet ein Gericht.
Ein Engel kühle meines Herzens Wunde!
Nur heile sie, so lang ich lebe, nicht!
Vereinigt brachen wir im Lebensgarten
Die schönste Frucht verboth'ner Seligkeit.
Vereinigt laß auch sterbend uns erwarten,
Ob der verzeihen kann, der gern verzeiht.
Aus: Fridrich Bouterwek's Gedichte
Neueste Auflage Wien 1820
Bey B. Ph. Bauer
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