Morgenwind

Morgenwind,
keuschester,
bist du der liebste mir
weil deines unerschrockenen Fittichs
Saumfedern eine
nahe der Erde streifend
sie traf, die ferne, die Freundin?
weil ihres Haares ein Löckchen
empor du gekräuselt?
weil du aus warmen Gewändern
ein Wölkchen des Atems
dieses reinen Leibes dahinführst?
oder den Hauch ihres Mundes
hinwegküssen durftest
der vielleicht heimlich
den Namen des Freundes enthielt?

O ich stehe und schaue gen Morgen
und suche hinter der Botschaft des Windes.

Bleibe doch, Wind -
Nein; fahr dahin, Wind!
über mich hin, Wind,
daß ich des Boten vergesse.
Denn es ist gut dem Menschen,
seine Kraft zu prüfen und seine Flügel.
Aber dein Herz zu besitzen,
Freundin,
ist gleich Flügel zu haben.

Gegen den Schlag deines Herzens,
was ist mir der Sterne unendliche Laufkraft?
arme zum Himmel erhobene Götter
wandeln sie in gezwungenen Bahnen,
Gefesselte untereinander,
schweigend zu dulden
das Leid ihrer Ewigkeit.

Mir aber ward
die Lust des Vergehens.
Und durch die Welten der Dinge
trägt mich dein Herz.
Kein andrer
der erdgebundenen Menschen
eignet ein Flugzeug
gleicher Treue und Kraft.
Also fahr ich dahin,
dem Ende entgegen, dem Falle
- wer weiße es?
Sah ich doch einmal die Dinge
die nahe dem Ursprung wohnen,
hörte die Laute
die auf der Grenze der Stille hocken,
und wehen mich an die Gerüche
welche der Ewigkeit schleppend Gewand
birgt in den Falten!

Nichts ist eitel!
Eitel ist
alles eitel zu nennen.
Und die brennende Fackel der Herzen
sollte sie eitel sein
weil sie verlöscht?

Komm, verdopple den einfachen Brand!
Ach, wie bald
wird auch der Freund,
der mir fast heilig war,
verschlungen von der Umarmung
niederen Schlingwalds.
Dann bist nur du noch.
Und wo unsterbliche Dichter
singen von Freundschaft
sollen sie singen von dir als einer Besondren
die da ihr Herz gab ein andres zu tragen,
und ihr Blut
den brennenden Thyrsos zu tränken
unserer Liebe. (S. 47-49)

Collection: 
1937

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