Liebeskalender

Eine Frau bat einmal ihren Geliebten ihr von einem Wege
in die Stadt eine Schachtel Konfekt mit nachhause zu bringen.
Dem Mann gefiel der Wunsch der Frau nicht:
seine Erfüllung erschien ihm zu gering. Er ging.
Aber statt einer Schachtel Konfekt brachte er
der Geliebten einen Kalender mit auf dessen
erstes dem Januar gewidmetes Blatt er ein paar
Verse schrieb, die man auf der folgenden Seite lesen kann.
Die Frau lächelte. Ihr behagte die Huldigung
und der Mann setzte in der Folge des Jahres für
jeden Monat um ihres Lächelns willen ein Gedicht
auf die weißen Seiten.

Januar
Wenn du einmal satt der Liebe bist
will ich gern dich mit Konfekt versöhnen.
Doch so lange du die Einzig-Liebe bist
will ich dich nicht mit Konfekt verhöhnen.

Weißt du nicht daß Liebe süßer ist? -
süßer als mit Süßem dich verwöhnen.
Wenn Konfekt der Liebebüßer ist
wird dich Liebe auch nicht mehr verschönen.

Februar
Ist auch der kürzeste Mond
für deine Liebe nicht lang:
wo sie sich selber belohnt
sei um die Liebe nicht bang.

Spute dich! Küsse! dich zwingt
fliehend der kürzeste Mond.
Wie uns die Liebe verjüngt
hat sich dein Eifer belohnt.

März
Junger Frühling, komm und hilf
sie, die Junge, zu umlieben.
Flüsterst du in Gras und Schilf,
hör ihr Ohr geflüstert Lieben.

Mit dem Mund voll jungen Küssen
mit dem Blühn vor ihren Füßen
mit dem Glanz in ihren Augen
soll sie lieben - uns zu taugen.

April
April! April! - Das Wetter narrt
den der ihm vertraut.
April! April! Der Bräutigam harrt
schwankend auf die Braut.

Ist der Monat wetterwendig
- uns ist's einerlei.
Liebe ist aprilbeständig
- und dann kommt der Mai.

Mai
Über dir im Blau -
horch: die Lerche lacht.
Leib zu Licht gemacht,
Licht und Leib Gesang.

Taumel faßt dich an
schaust du hell empor.
Trunken Aug und Ohr -
trunken tief vom Mai.

Tut er dir Gewalt?
Schwankst in meinen Arm
daß sich dein erbarm
über dir der Raum.

Horch! Die Lerche lacht:
Alles Hell ist dein.
Doch das Hellste mein:
Deiner Jugend Tag.

Juni
Wohin steigt er - unserer Liebe verliebter Kalender?
Auf zur Höhe des Jahrs mit der steigenden Sonne.

Lassen wollen wir auch die Erde nicht
wenn sie sich sonnab wendet in ihrem Laufe.
Aber wir werden ihr doch nur zögernd folgen
mit dem großen Vorrat unserer Sommer.

Juli
Das Lied des hohen Sommers
vom Reifen schwellt das Herz.
Was frommt des späten Kommers
nachzüglerischer Schmerz?

Daß tiefer uns ergreife
des Lebens Glut vom Grund
singt sich das Lied der Reife
von selbst in unsern Mund.

Entfliehe nicht dir selber.
Laß aller Zeit den Flug.
Reif' mit dem Korn der Felder.
Des Blühens war genug.

August
Ernster August! Versengst du
mit dörrenden Stürmen die Liebe?
Brechen Wellen des Meers
ein in die Müde der Augen?

Zittert das Licht aus zu hoher
Wölbung des Äthers?
oder wehrt sich das Herz
übermächtiger Glut?

Nun sind die Felder geleert.
Die Wälder verdunkeln.
Lichter süßer und liebender
hat uns der Mai einst umarmt.

Wehre dich, Herz!
Sammle das Süße in dir.
Sammle es heimlich zum Süßesten.

Jetzt reift die süßeste blutend -
reift die Brombeere
unter dem Dornengerank.

September
Trunken steht nun der Baum.
Rundum gestützt trägt sein Schoß
tausend Früchte des Jahrs.
Liebe des Sommers war groß.

Tropft auch der Seim aus der Frucht,
klopft auch der Apfel ins Gras -
keine des Blühens im Mai,
keiner der Liebe vergaß.

Reife, reife auch du,
Liebe, in uns wie der Saft
der in der reifenden Frucht
Keim neuen Lebens erschafft.

Oktober
Großes Jahr! In jedem Faß
schwillt der Wein zu süßer Schwere.
Herbst berauscht ohn Unterlaß
wo ich liebe und begehre.

Weiß ich noch von Lieb und Haß
wenn ich herbstlich so sie büße?
Licht! Oh, Licht wird niemals blaß
wo ich liebe, wo ich grüße.

November
Ergreife meine Hand.
Das Dunkel bricht herein.
Das Dunkel ist zu zwein
nur halb so groß, das Grau
nur halb so grau.

Wo bist du die mich liebt?
Die Nächte wachsen schnell.
Mach sie die Liebe hell!
Und Nacht ist Nichtnacht, Grau
ist nicht mehr Grau.

Dezember
In kurzen Tagen sacht,
durch langer Nächte Macht
wird still zum End gebracht
jährliche Bahn.

Doch Liebe endet nicht.
Noch in der Dunkelschicht
sucht sie das neue Licht -
hebt neu sie an. (S. 270)

Collection: 
1937

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