Das Auge der Geliebten

 
Gleichenloses Flammenauge
Das bis in die Seele dringt!
Du weißt alles aufzuregen,
Jeder Puls springt dir entgegen,
Der in meinen Adern springt,
Heldenkühnheit und Entzücken,
Heiterkeit und Thränenlust
Senkest du mit Zauberblicken
In die unterworfne Brust.

Magisch ziehst du, wie Magnete:
O wer widerstünde da,
Wenn du lieblich lächelnd flimmerst?
Wer, wenn du begeistert schimmerst,
Fühlt sich nicht der Gottheit nah?
Kühn durchdringt dein Strahl den Schleyer
Der die Wahrheit uns verdeckt;
Er entflammt das heil'ge Feuer
Das zu großen Thaten weckt.

Doch wenn Wehmuth dich umschleyert,
Und durch Thränen blinkt die Glut,
Dann erst wirken deine Wunder,
Fachen an den kleinsten Zunder,
Der in meinem Busen ruht.
Ach, ich laß ihn nur entglühen!
Eher löschte meine Hand
Hekla's tobend Lavasprühen
Und der Griechen Feuerbrand.

Heilig wie die Opferlohe
Brennt er nur mit süßem Schmerz.
Nicht mein Innres zu zerstören,
Nur die Schlacken aufzuzehren,
Fiel er heilsam in mein Herz.
Ach, und könnt' er je ermatten,
Früher als mein Lebenslicht,
Wär' ich schon ein nicht'ger Schatten,
Ehe noch mein Auge bricht.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Zweyter Theil Leipzig 1818

Collection: 
1818

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