Morgen-Betrachtung

Es winkt der Morgen hehr in goldner Pracht,
Des Himmels Harmonie entweichet nun die Nacht,
In Lichtgang steigt die Sonne, sie beleuchtet
Das große Schlummerzelt -
Den Halm entküßt sie mild der Nacht, umfeuchtet
Vom Perlen-Thau, sie zeigt den Blüthen-Schmuck der Welt.

Ich fühle dich aus Frühlings-Lüften weh'n
O Gott! mir sagt es laut im weiten All dein Geh'n,
Daß du es bist, der diese Schöpfung lenket;
Wie prangt der kühle Hain
Im Morgenduft, der grüne Lauben tränket,
Und alles nennt der Mensch im Hochgefühle sein.

Dem Blumen-Schoos entlockte die Natur,
Mit Wundern übersäet, Eines Gottes Spur,
Die allgewaltig hin zum Aether winket;
O laßt uns Weisheit seh'n
Im Thaue, den der Rose Purpur trinket,
Im neuentsproßten Halme, den die Schnitter mäh'n!

In Wonne ist erwacht aus Schlummerduft
Die Schöpfung neu, umhaucht von milder Frühlings-Luft,
Entkeimt sind Wunder zahllos ihrem Schooße,
Die Zeichen weiser Macht;
Belebt rief sie im lieblichsten Gekose
Unendlichkeit zum Licht, im Farbenspiel der Pracht.

Collection: 
1827

More from Poet

  • Du Bild der engelgleichen, sanften Güte!
    Das Liebe hehr und reizend ausgeschmückt,
    In Harmonie sprichst du zu dem Gemüthe,
    Das reine Sympathie mit dir beglückt.

    Die Grazien umschweben deine Schritte,
    Mein Auge sah bewundernd...

  • Ja! ewig im Entzücken deiner Freuden
    Möcht' ich, Natur! die trunk'nen Blicke weiden, -
    Du giebst allein dem Herzen jenen Frieden,
    Den Gottes Güte uns schon hier beschieden.

    Der milde Aether, der die Welt umschwebet,
    Uns stets...

  • Am Silber-Bach, im Schatten einer Linde,
    Wo murmelnd eilt die Well' zum stillen Teich,
    Mir Kühlung säuseln sanft im West die Winde,
    Da schmück' o Flora! mir ein kleines Reich. -

    Es kreiseln hier die munteren Forellen,
    Sich...

  • In dem reinen, höhern Streben
    Sucht der Geist den Weg zur bessern Welt,
    In des Herzens seligstem Erbeben,
    Schwingt die Seele sich zum Sternen-Zelt.

    Dort, wo Sonnen zahllos glänzen
    In der großen, unermeß'nen Bahn,
    ...

  • Gleite sanft hin Bach! an dem grünen Ufer,
    Wo der Reb-Stock prangt in der höchsten Fülle,
    Weck' ihn rieselnd uns aus des Schlummers Fessel,
    Freude dem Vater!

    Seinem Fest ertönt nun ihr Wonnelieder!
    An dem Haus-Altar, in dem...