Ich soll sie sehn!
Faß' ich die Wonne?
O goldne Sonne!
Ich soll sie sehn!
Wo sind sie, die Quellen?
Die Wälder verschwunden.
Wo sind sie, die Höhn?
Es lachen die hellen
Liebäugelnden Stunden:
Du wirst sie sehn. -
Wie fremde Gestalten
Durchwandern die Gassen!
Wie rauschen die Brunnen! -
Ich kann mich nicht fassen,
Mein fliegender Blick
Durchwandert die Gassen,
Durchspäht die Gestalten,
Und suchet mein Glück.
Am Fenster, was siehst du?
Es flimmert der Schein.
O Bildniß, entfliehst du?
Kannst du es wohl seyn?
O seid mir gegrüsset, ihr Wolken fliehend!
Gegrüßt ihr Fremdlings-Häuser!
Ihr Tauben flatternd! ihr Blumen blühend!
Waldrauschen du vom Berg hernieder!
Ich denk' es inniger, sprech es leiser,
Das ganze Herz tönt es wieder:
Ich soll sie sehn!
aus: Gedichte von L. Tieck Erster Theil
Dresden 1821