An Minette

nach einem Besuche

Nun ist er fort, mein trauter Jüngling fort!
So dachtest Du am Thore dort,
Da ich das lezte Mal mich aus dem Wagen neigte.
Wie war, Minette, da mein Herz so voll,
Wie theuer mir der Kummer, der mich beugte,
Wie süss der Thränenstrom, der diesem Aug' entquoll!
Nicht jedes Aug' kann solche Thränen weinen;
Nicht jeder Busen öffnet sich dem reinen,
Dem göttlichen Vergnügen, Freund zu sein,
Zu lieben, und geliebt zu werden.
Wer liebt, der lebt nicht mehr auf Erden;
Der athmet Himmelsfreuden ein.

Mir war so wohl an Deinem Engelmunde,
So wohl in jener Viertelstunde,
Da mir Minette, Hand in Hand gelegt,
Und Mund auf Mund - Man darf es wissen,
Die Menschen, und die Engel dürfen's wissen,
Dass wir einander küssen -
Da mir Minette auf mein dumpfes Ach
Durchglühet von Empfindung sprach:
Ach! dass uns Menschen trennen müssen!
Das sagtest Du, und drücktest mich
So herzlich, und so sanft an Dich.
O Beste! lass mich ganz mein Glück geniessen,
Lass ganz mein Herz von Liebe überfliessen!
Das innre Zeugnis: "WIR SIND GUT"
Durchglüh' uns jeden Tropfen Blut,
Verbreite Licht durch unsre Seelen,
Begeistre uns zu jeder schönen That,
Sei unser Trost, und unser Rath,
Wenn wir, getrennt, uns ohne Hoffnung quälen.

Collection: 
1790

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