Den 31. Jan. 1774
Die junge Rose blüht. Gebohren
Ward sie vom West im Morgenthau,
Der Knospe unenthüllte Reize
Entschlüpften, und ihr Wunderbau
Stand zum Entzücken da. Die Schöne
Lud jedes Aug in stiller Pracht
Sie zu bewundern ein. Zur Freude
Sah jedes sie hervorgebracht.
Weit schöner aber noch, in süsser
Geliebtrer Unschuld lächelt so,
Als sie, ein blühend holder Knabe
Im Schoss der Mutter, kindlich froh.
Mit welcher Wollust ruf ich heute,
Mein Selid, jenen sanften Blick
Von Deinem jugendlichen Auge,
Im mütterlichen Arm, zurück.
Von unsichtbarer Hand geleitet,
Begann für Dich der sichre Pfad
Der Tugend damals schon, den muthig
Dein Fuss, als Jüngling, früh betrat.
Der Keim zum göttlichen Vergnügen,
Am Guten, ruhte damals tief
In zarter Brust schon, wo der Funke
Der werdenden Vernunft noch schlief.
Entfernt von Dir, zu mancher Thräne
Bestimmt, doch damals noch im Schoss
Des besten Glücks, mit Lieb' umgeben,
Fiel mir auch meines Lebens Los.
Du kennst die ungetrübte Freude,
Die um sich her nur Wonne sieht,
Wenn sie durch Unschuld im Vergnügen,
Auf jugendlicher Wange glüht.
Doch jene Tage, wo sich Leiden
Mit Leiden für mein Herz vereint,
Dir nahten; in Zypressenhainen,
Mein Selid, hab' ich sie verweint.
O Du, den eine Vorsicht wählte,
Mir mehr, als irdisch Glück zu seyn,
Wie dank ich diese Seligkeiten
Der treusten Liebe Dir allein!
Mit denen mir ein Tag willkommen
Und heilig für zwo Welten ist;
An den - o fühle mein Vergnügen! -
An dem Du mir gebohren bist!