Lieder der Liebe

Die schöne, süße Liebeslust
Ist gleich dem schönen Traum,
Zerronnen oft in Dunkelheit,
Nachdem gewonnen kaum.

Doch diese, die der Dichter singt,
Wie flüchtig, ach, sie war,
Sie war so rein und blüthenzart,
Sie war so himmlisch klar!

Sie glich dem Traum in Morgenzeit,
Wo sich die Sonn' erhebt
Und hold in Seelenbilder auch
Die gold'nen Strahlen webt.

1.
An dem ersten Maientage
Sog ich neben dir wie Wein,
Selig Alles rings vergessend,
Deine Schönheit in mich ein.

Und am andern zog ich weiter,
Ueber Hügel, durch die Flur,
Lebte mit das Duften, Brausen
Lebenströmender Natur.

Welcher war von beiden schöner?
Denn am andern, holdbereit,
Zog im Geist mit mir dein Antlitz
In verklärter Lieblichkeit.

2.
Auf schönbeblümter Wiese,
Da hab' ich Rast gemacht,
Ich sah das stille Dörfchen
In heller Morgenpracht.

Es floß zu meiner Seite
Das Bächlein träumend sacht,
Es drang ein kühles Lüftchen
Aus grüner Waldesnacht.

Wie schlug es mir im Herzen
Mit ungestümer Macht! -
Auf schönbeblümter Wiese,
Da hab' ich dein gedacht!

3.
An dem Thale ging ich stille
Mit der Führerin, der Kleinen,
Sie mit kindlich klaren Augen
Blickte freundlich in die meinen.

Wie von alten Zeiten plaudernd
Murmelte die Felsenquelle,
In den Lüften, auf den Bäumen
Sangen Vögel silberhelle.

Dächtest du, daß in dem Thale,
Das so wohl dem Freunde wollte,
Meine stillbeglückte Seele
Lieberes noch hören sollte?

Sie, die Kleine, deren Augen
Mir so traut entgegenkamen,
Fragt' ich freundlich, wie sie heiße -
Und sie nannte deinen Namen.

4.
Nichts Schöneres kann es geben,
Als hier im Morgenduft
Mit seiner Lieben zu steigen
Hinauf in Bergesluft.

Der goldbeglänzte Gipfel
Winkt licht und zauberfern.
Der Jüngling führt die Holde,
Die Holde sieht es gern.

Und unter Klimmen und Schreiten,
Da fließt manch trautes Wort,
So geht's im Schlangenwege
Zusammen fort und fort.

Nun liegt das Land zu Füßen
In wunderbarem Licht.
Sie sehn entzückt hinunter,
Sie sehn sich ins Gesicht.

Sie sehn nach allen Seiten
Und sehn sich ganz allein -
Sie ruhen Herz an Herzen
In seligem Verein.

Dies Liedchen hat im Frühling
Ein armer Junge gemacht.
Er hat es nicht erfahren,
Er hat es nur gedacht.

5.
Des Morgens geh' ich still allein
Und möcht' ein Liedchen singen,
Es sollte mir ein Perlchen fein
Zu Liebchen's Schmuck gelingen.

Die Bilder flirren hin und her
Vor meinen Sehnsuchtsblicken,
Es liegt auf meiner Brust so schwer,
Als wollt' es mich ersticken.

Ich treib's ein Viertelstündchen lang
In Sehnen und in Wähnen,
Und endlich löst sich aller Drang
In einen Strom von Thränen.

6.
Daß du mir im Herzen zürnest,
Du mein holdes Angesicht,
Weil ich warm und weil ich liebend
Dir genaht, ich glaub' es nicht.

Freuen muß dich deiner Schöne,
Deiner Güte Zauberkraft,
Die in mir die Glut entzündet
Dieser tiefen Leidenschaft!

Wie, und giebt es denn ein reiner
Glück auf dieser Erde hier,
Als verehrt zu sein so innig,
Wie verehrt du bist von mir?

7.
Am ersten Morgengolde,
Da denk' ich liebeswund:
Ach sähest du die Holde,
So würdest du gesund!

Und trink' ich dann die Süße,
Die himmlisch dir entquillt,
Es haben Blick und Grüße
Das Sehnen nie gestillt.

Es schwinden all' die Schmerzen
Nur dann, nur dann allein,
Schwörst du mir einst am Herzen:
Ich bin und bleibe dein!

8.
Ich fuhr mit meinem Liebchen
Bei frischer Lüfte Wehn
Durch reiche, reiche Thäler -
Was hab' ich da gesehn!

Ich sah zwei holde Wänglein
Und einen rothen Mund,
Und zweier hellen Aeuglein
Erglänzend feuchten Grund.

Und eine klare Stirne
In schimmernd heiterm Licht -
In liebevollem Lächeln
Das himmlische Gesicht.

9.
Ich saß im offnen Saale,
Erhellt von Kerzenschein,
Gerade gegenüber,
Da saß die Liebste mein.

Es saßen viele Frauen
Und Herren rings umher.
Mir schien's, sie würden munter
Und muntrer immer mehr.

Sie thäten frohen Muthes
Zusammen gar vertraut,
Und flüsterten und schwatzten
Und Andre lachten laut.

Und Einer, wie mich dünkte,
Ging in die Nacht hinaus
Und brannte Rosenfeuer
Zu hellem Freudebraus.

Doch könnt' ich nicht beschwören,
Daß alles so geschehn:
Sie hat in meine Augen
Und ich in ihre gesehn.

10.
Burgruine, die du traurig
Sonst nur starrest in die Luft,
Wie erscheinst du mir so freundlich
Heut im klaren Morgenduft?

Büsche, die den Fuß bekränzen,
Stehn getaucht in frischen Thau,
Wundergrün bei weißer Straße,
Die sich windet durch die Au.

Und du selber siehst herunter,
Wie ein Greis im Silberhaar
Frohgesinnt und milde schauet
Auf die muntre Knabenschaar.

Seh' ich dich vielleicht so heiter,
Weil im ersten Morgenwehn
Heute du mein holdes Liebchen
Hast vorüberfahren sehn?

11.
Wir saßen froh beisammen
Beim ländlichen Gelag,
Ich und mein trautes Liebchen
Am heitern Vormittag.

Rechts dehnte sich die Straße
Und links ein schönes Thal.
Da schlug die schwere Stunde,
Da blieb uns keine Wahl!

Dahin nun mit den Ihren
Fuhr sie ins ferne Land.
Des Staubes Wirbel flogen,
Bis jede Spur verschwand.

Ich ging im Wiesenthale
Verlassen ganz und gar -
Ein Jeder wird begreifen,
Wie mir zu Muthe war.

12.
Ein frisch begrünter Anger
Erglänzt im Sonnenschein,
Der Anger ist umsäumet
Von Gärten groß und klein.

Am schönsten Garten stehet
Ein stattlich Lindenpaar,
Darunter jauchzt im Spiele
Die frohe Knabenschaar.

Und mitten rinnt erquicklich
Des Baches reine Flut,
Dort schöpfen muntre Mädchen
Sich Wasser wohlgemuth.

Sie treten zu der Bleiche,
Gewandt, mit leichtem Schritt,
Die Linnen unter Singen
Begießen sie damit.

Und wären Zweie glücklich,
O welch ein trauter Ort! -
Vorüber, du Verlaßner,
Du Armer, wandre fort!

13.
Der du die Flur durchrauschest,
O Fluß, ich gleiche dir!
Es zieht wie deine Wellen
Des Sehnens Strom in mir.

Und aus dem Strom des Sehnens
Manch holdes Lied sich schwingt,
Wie aus den grünen Fluten
Manch Silberfischchen springt.

14.
Im goldnen Schein des Tages,
Des Nachts im Sternenlicht,
Da seh' ich nur dein klares,
Liebholdes Angesicht.

Ich gehe durch die Straßen
Mit unbewußtem Sinn,
In Bangen und Verlangen
Schmilzt meine Seele hin.

Und kann es sein, daß ferne
Dich nicht ein Hauch berührt,
Daß von den Gluten allen
Dein Herz kein Fünkchen spürt?

15.
Du bist nicht Schuld, Betrübter,
Daß ferne weilt dein Leben.
Du mußt es eben dulden
Und dich darein ergeben.

So rühre nun die Hände
Neu mit dem alten Muthe,
Und schaffe still und heiter
Das Wackere, das Gute.

In liebem Angedenken
Da darfst du schon erweichen:
Es darf auch eine Thräne
Die Wange herunterschleichen.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857
_____

Collection: 
1857

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