Klage

 
Süß ist's, mit Gedanken gehn,
Die uns zur Geliebten leiten,
Wo von blumenbewachsnen Höhn,
Sonnenstrahlen sich verbreiten.

Lilien sagen: unser Licht
Ist es, was die Wange schmücket;
Unsern Schein die Liebste blicket:
So das blaue Veilchen spricht.

Und mit sanfter Röthe lächeln
Rosen ob dem Uebermuth,
Kühle Abendwinde fächeln
Durch die liebevolle Gluth.

All' ihr süßen Blümelein,
Sei es Farbe, sei's Gestalt,
Mahlt mit liebender Gewalt
Meiner Liebsten hellen Schein,
Zankt nicht, zarte Blümelein.

Rosen, duftende Narzissen,
Alle Blumen schöner prangen,
Wenn sie ihren Busen küssen
Oder in den Locken hangen,
Blaue Veilchen, bunte Nelken,
Wenn sie sie zur Zierde pflückt,
Müssen gern als Putz verwelken,
Durch den süßen Tod beglückt.

Lehrer sind mir diese Blüthen,
Und ich thue wie sie thun,
Folge ihnen, wie sie riethen,
Ach! ich will gern alles bieten,
Kann ich ihr am Busen ruhn.
Nicht auf Jahre sie erwerben,
Nein, nur kurze, kleine Zeit,
Dann in ihren Armen sterben,
Sterben ohne Wunsch und Neid.

Ach! wie manche Blume klaget
Einsam hier im stillen Thal,
Sie verwelket eh es taget,
Stirbt beim ersten Sonnenstrahl:
Ach! so bitter herzlich naget
Auch an mir die scharfe Qual,
Daß ich sie und all mein Glücke,
Nimmer, nimmermehr erblicke.

aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821

Collection: 
1821

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