I.
Was ist mein Schatz? – Eine Plättmamsell.
Wo wohnt sie? – Unten am Gries.
Wo die Isar rauscht, wo die Brücke steht,
Wo die Wiese von flatternden Hemden weht:
Da liegt mein Paradies.
Im allerkleinsten Hause drin,
Mit den Fensterläden grün,
Da steht mein Schatz am Bügelbrett;
Hoiho, wie sie hurtig den Bügelstahl dreht,
Gott, wie die Backen glühn.
Im weißen Röckchen steht sie da,
Ihre Bluse ist blumig bunt;
Kein Mieder schnürt, was drunter sich regt,
Sich wellenwohlig weich bewegt,
Der Brüste knospendes Rund.
II.
Im alten Ton
Der Frühling kam, die Knospen sprangen,
Da bin ich auf die Wiese,
Ja Wiese,
Alleine hinausgegangen.
Ich ging allein
Und kam zu Zwein:
Mit einem holden Kinde;
Das hab ich geküßt auf den roten Mund
Wohl unter der grünenden Linde,
Dem hab ich den Blick in die Augen gesenkt,
Das hat mir seine Liebe geschenkt
Und hat mir gelacht
Zum Lohn bei der Nacht,
Zur Seite geschmiegt mir im Bette:
Ein Waschermadl ist mein Schatz,
Mein brauner, mein wilder, mein lustiger Schatz,
Und heißt Jeanette!
III.
In enger Kammer
Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch, ein Schrank,
Und mittendrin ein Mädel schlank,
Meine lustige, liebe Jeanette.
Braune Augen hat sie, wunderbar,
In wilden Ringeln hellbraunes Haar,
Kirschroter Lippen ein schwellend Paar, -
Jeanette! Jeanette!
Am Fensterbrett ein Epheu steht,
Durch grüne Geranke die Liebe späht,
Meine lustige, liebe Jeanette.
Thüre auf: da liegt mir am Hals das Kind.
Alleine wir beiden, es singt der Wind
Das Lied von Zweien, die selig sind, -
Jeanette! Jeanette!
Aus: Otto Julius Bierbaum – Irrgarten der Liebe.
Verliebte launenhafte und moralische Lieder
Gedichte und Sprüche aus den Jahren 1885 bis 1900
Im Verlage der Insel bei Schuster und Loeffler Berlin und Leipzig 1901 (S. 40-42)