1.
Die Erde eilt, daß sie sich festlich kleide;
Den grünen Mantel hat sie auserkoren,
Besetzt mit reichem, köstlichen Geschmeide.
Schon schmiegt er prunkend sich um ihre Glieder,
Und freundlich blickt sie aus dem Blüthenkranze
Auf ihren hellen, bunten Festschmuck nieder.
Ich weiß es wohl, warum sie also pranget. -
Mein Liebchen naht, und ist schon auf der Reise,
Vor dessen Reiz den Fluren heimlich banget.
Die Erde will sich nicht verdunkelt sehen,
Gleich eitlen Müttern, die der Töchter Anmuth
Verdrießlich nur den Vorrang zugestehen.
Sie will wetteifern drum mit Liebchens Schöne,
Damit der Sänger mit dem besten Liede
Statt seinem Lieb die stolze Lenzbraut kröne.
2.
Wie wird sie seyn? - Treu oder umgewandelt?
So frag' ich mich, im Herzen oft besorgend,
Daß für Natur man Welt ihr eingehandelt.
Die große Stadt, befürcht' ich, läßt sie blicken,
Und hält mich fern mit einem steifen Knixe,
Reißt es mich hin, sie an mein Herz zu drücken.
Wie mich des Mädchens arge Schönheit quälet!
Gewiß hat sie der ganzen Welt gefallen,
Und längst der Freier Schönsten sich erwählet.
Ich werd' es wohl auf ihrem Antlitz lesen.
Gottlob, der Seele Sprache kann ich deuten,
Bin ich gleich nie in großer Stadt gewesen!
3.
Ich sah' mein Liebchen aus dem Wagen steigen,
Ein Hütchen trug sie, wundernett und pfiffig,
Und grüßte draus hervor mit holdem Neigen.
Drauf schwebte sie mit zephyrleichtem Schritte
In die Umarmung staunender Geschwister,
Als Rose prangend in der Knospen Mitte. -
Der alte Vater bot die welken Lippen
Dem Rosenmund, und auch die kleinen Buben
Sah ich vom Honig ihres Kusses nippen.
Nur ich allein stand fern, und mußte darben,
Und fühlte, wie von ihrem Glanz getroffen,
Die kühnen Wünsche meines Busens starben.
4.
Ich hatte ihr so viel, so viel zu sagen,
Und muß nun, da sie mir zur Seite wandelt,
Verstummend meine Augen niederschlagen.
Das ist die Frucht von städtischer Erziehung!
Ganz ungeschickt muß ihr der Freund erscheinen,
Und lächerlich ihr jegliche Bemühung.
Wenn sich die feinen Rosenlippen theilen:
Ach, freilich tönt dann eine andre Sprache,
Durchbohrend mich mit tausend süßen Pfeilen.
Ich lausche, von Bewund'rung ganz befangen,
Und beiße mich verzweifelnd in die Lippen,
Weil aller Geist indeß mir ausgegangen.
O welche Qual, so arm vor Der zu stehen,
Um derentwillen ich der Erde Güter
Und allen Liebreiz wünschte zu erstehen!
Ein böser Zauber scheint mich zu umstricken;
Das Beste, was ich zu besitzen meine:
In Nichts zerschmilzt's, berührt von ihren Blicken.
5.
Was hilft es, daß sie die Saiten rühret,
Daß ihr Gesang die Nachtigall beschämet,
Und sie mit Bildern unsre Wände zieret!
Was hilft es mir, daß man mit ihrem Preise
Die Schwestern alle um sie her verdunkelt,
Und Unheil sä't in uns'rer Männer Kreise.
Sonst blühte sie dem Veilchen gleich im Thale,
Zufrieden, Einen innig zu beglücken;
Jetzt lockt sie Alle mit der Schönheit Strahle.
Ich weiß, der Welt Bewund'rung will sie haben!
Es mag geschehen, - ich aber werde weichen,
Und mich in Waldes Einsamkeit begraben!
6.
Ich möchte bitt're Thränen weinen,
Denk' ich zurück an die vergang'nen Tage,
Die nie so süß, so lieblich mehr erscheinen!
Da war sie Kind noch, kos'te unbefangen
Mit dem Gespielen, wie mit ihren Lämmern,
Und bot mir oft im Scherz die Rosenwangen.
Da lag ihr Herz noch klar und unverwahret
Vor meinem Blick; das Schönste las ich drinnen,
Was sich in Menschenseelen offenbaret.
Huld, Demuth, Reinheit, Frömmigkeit und Treue,
Der ew'gen Schönheit heil'ge Himmels-Zeichen:
Sie alle grüßt' ich täglich dort auf's Neue.
Jetzt ist ein Schleier um ihr Herz gezogen,
Der neidisch mir das Himmelsbild verdunkelt:
Wie Nebel deckt des Aethers reinen Bogen.
Verirret schwank' ich (wie auf wilden Wogen
Der Schiffer, den kein Stern, kein Kompaß leitet,)
Von finstern Zweifeln unstät fortgezogen.
7.
O hör't! Heut' will sie sich als Mime zeigen!
Zum Schauspiel sind die Gäste eingeladen!
Heut will die Kunst auf ihren Gipfel steigen!
Fahr' wohl, Natur! Fahr' wohl, fahr' wohl auf immer!
Zieht ein durch ihres Herzens offne Thore,
Du, falscher Prunk, Verstellung, eitler Schimmer!
Auf! Uebertüncht die jugendliche Wange,
Daß, wenn sie ja in blöder Schaam erröthe,
Verständ'gern nicht ob ihrer Schwachheit bange!
Versammle Dich, das selt'ne Spiel zu schauen,
Neugier'ge Welt! - Ich mache Platz Euch Allen!
Mit meinem Rohr durchzieh' ich heut' die Auen!
Dort kann man auch manch kluges Wort vernehmen:
Nicht eingelernt, nicht einstudirt; - es würden
Sich solcher Armuth Bach und Vogel schämen!
Sie singen, wie es ihnen Gott gegeben,
Und also dringt es lieblich auch zu Herzen,
Und leicht erfrischt sich dort ein krankes Leben.
Auf, meine Rüden! Auf, hinaus ins Freie!
Ade, mein Lieb! Du wirst es wohl erfahren,
Daß ich gefehlt in der Bewund'rer Reihe!
8.
Noch hab' ich sie am Fenster nicht gesehn!
Sonst sah ich sie, auch wenn sie mich nicht grüßte,
Im Morgenhäubchen vor dem Spiegel stehen.
Auch hat sie ihre Blumen nicht begossen!
Leicht wird ihr, was sie liebte, zu vergessen!
Welk hangen dort die zarten Blüthensprossen!
Sie hat als Mime Beifall sich erworben,
Und übt sich wohl in einer neuen Rolle;
Und darum sind die Blumen abgestorben.
9.
So hört' ich recht? - So liegt sie krank darnieder?
Sie, die ich frevelnd eitlen Thuns beschuldigt?
O, wie vergüt' ich ihr dies Unrecht wieder!
Vorwurf und Qual, und Furcht, und ängstlich Bangen
Zerreißt mein Herz! - Wie soll ich sie versöhnen,
Die ich zu tadeln schnöd' mich unterfangen?
Kann sie dafür, daß man zur Stadt sie sandte,
Kann sie dafür, daß für der Künste Zauber
Ihr leicht empfängliches Gemüth entbrannte?
Wer bin ich denn, daß ihres Herzens Triebe
Ich nur allein auf mich zu lenken wünsche? -
Ach, kein Verdienst ist mein, als meine Liebe!
Wahnsinn nur kann der Schönheit Fülle tadeln!
Und Eigennutz nur find' ich hier im Busen,
Und arge Tücke, die mein Herz entadeln.
Von jetzt an will ich meine Fehler büßen!
Ihr Leiden soll Genesung mir bereiten,
Und reuig stürz' ich hin zu ihren Füßen!
10.
Ein Glück, daß meine Rosen aufgeblühet,
Daß die Organe ich bis heut gesparet,
Die lockend dort im dunklen Laube glühet!
Schnell will ich sie zu der Geliebten tragen;
Dieß wird mir einen feinen Vorwand geben,
Mich in's Gemach der Leidenden zu wagen.
"Für Dich erzog ich sie!" so will ich sprechen; -
Doch nein! Der Klang mahnt an vergang'ne Zeiten!
Da würden Thränen bald mich unterbrechen.
11.
Man hatte mich in ihr Gemach geleitet;
Da saß sie, ganz in Schleier eingehüllet,
Dem Monde gleich, der bleich durch Nebel gleitet.
Ich wollte sprechen, doch Bestürzung drückte
Das Wort mir im beklommnen Busen nieder,
Weil ich so bleich, so leidend sie erblickte.
Ich konnt' ihr schweigend nur die Blumen reichen;
Mir war, als säh' ich bei des Freundes Gruße
Das zarte Antlitz tiefer noch erbleichen.
Sie nahm sie freundlich, sprach nach kurzem Schweigen:
"Die erste Freude, die der Lenz mir spendet!"
Drauf sah ich Thränen ihr ins Auge steigen.
"Die erste?" rief ich: "Sind des Lorbeers Kronen,
Die reichlich man der Künstlerin gespendet,
Nicht Lenzeskinder reich'rer, bess'rer Zonen?"
"Wenn Liebe nicht auch Rosen eingewunden,"
So sprach sie, ernst zu mir den Blick erhebend,
"Wird bald das dürre Laub die Stirn' verwunden!"
"Die Aller Herzen siegend sich errungen,
Vermag die Liebe also anzuklagen?"
Entgegnet' ich von bitterm Weh durchdrungen.
Da flammt ein Blick aus ihren Augen, nimmer
Vergess' ich ihn, - erst rasche Gluth versendend,
Dann weich hinschmelzend in der Wehmuth Schimmer.
"Kann der, der wahrer Liebe einst ergeben,"
So sprach sie ernst: "mit ihrem Namen spielen?
Was ist dann heilig noch und wahr im Leben?"
Da zog michs hin zu ihren Füßen. - Flehend
Bat ich: "O sprich es aus, was mich beseligt!"
Und sie begann nun, Alles mir gestehend.
"Um Deinetwillen streckt' ich meine Hände
Nach allem aus, was Geist und Seele schmücket,
Damit mein Freund mich seiner würdig fände."
"Was strebenswerth, ich sucht' es zu erringen,
Um dem Geliebten, wenn er treu geblieben,
Den reichen Brautschatz einst in's Haus zu bringen."
"Voll schöner Hoffnung trat ich Dir entgegen,
Du bliebst mir fern, ich war Dir fremd geworden.
Entmuthigt stand ich, schüchtern und verlegen."
"Ich sah's, von Neuem mußt' ich Dich erringen!
Und vor dem Thron der Musen stürzt' ich nieder,
Und bat: o helft das schwere Wort vollbringen!"
"Und drauf entfaltet' ich vor Deinen Blicken,
Was mich die Zeit, was mich die Kunst gelehret,
Um Dich, nur Dich zu fesseln, zu entzücken!"
"Dein waren meine Kränze, Dein die Blüthe
Des Beifalls, die man meinem Streben zollte,
Weil meine Kunst an meiner Lieb' erglühte."
"Und freudig grüßt' ich des Gelingens Segen,
Denn jede Krone, freundlich mir geboten,
Wollt' ich vor dem Geliebten niederlegen!"
"Du aber, ach! verschmähtest meine Gabe!
Du fliehest mich, verachtest mich! - O sage,
Was ich gethan, was ich verbrochen habe?" -
"Nichts, als daß Du, den Erdensohn vergessend,
Als Engel Dich hoch über mich erhoben!"
So sprach ich, selig an mein Herz sie pressend.
"Zu hoch gestellt für meiner Liebe Streben
Erblickt' ich Dich, als Du, mit jeder Schöne
Reich ausgestattet, uns zurückgegeben."
"Wie mußt' ich Armer mich in Nichts verlieren,
Als Du des Geistes Strahlen nun entfaltet,
Wohl würdig, einen Fürstenthon zu zieren!"
"Anstatt Dich mild zu mir herabzuneigen,
Klommst Du empor; so mußt' ich Dich verlieren,
Nicht möglich war's, so kühn Dir nachzusteigen."
"Jetzt hast Du mich mit rascher Hand erhoben;
Doch hält mich nur, o Theure, Deine Liebe,
So wie die Sonne festhält ihre Globen!" -
"O laß mich nicht zurück zur Tiefe kehren!
Schling' Deinen Arm um mich! - Leicht faßt ein Schwindel
Den, so man schnell entführt zu lichtern Sphären."
aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836