Heimkunft

I.
An mein Herz
Sieh doch, mein Herz, wie sonderbar
Du bist, als ich noch ferne war,
Da triebst du ohne Rast und Ruh',
Kaum bin ich da, so schweigest du.

Ich wandle Säle ein und aus,
Besuche Hof und Gartenhaus,
Die Laube, sonst so lieb und traut -
So brause doch, Herz, schlage laut!

Jüngst hieß es, daß Sie frägt nach mir,
Da sprangst du aus dem Busen schier;
Nun bin ich da und du vergißt
Zu fragen, wo Herzliebchen ist!

Der Rappe stand in Schaum und Schweiß,
So jagt' ich ihn auf dein Geheiß;
Und nun du bist am Gnadenort,
Ist all dein heißes Sehnen fort.
***

Sieh, Quell und Bächlein drängt und eilt
Und Fluß und Strom geht unverweilt;
Selbst noch im weiten, weiten Meer
Kämpft rastlos fort das Wellenheer!

II.
Des Herzens Antwort
Mir ist es ja schon Hochgenuß,
Wenn ich nur bin, wo Liebchens Fuß
Die Gräser sanft und Blümlein bog,
Wo Es geblickt und Odem sog.

Ach, Berge, Bäume, Busch und Strauch,
Ach, Blumen, Gräser, Kohl und Lauch,
Seid mir willkommen, seid gegrüßt
An mich gedrückt und heißgeküßt!

Mein Liebchen hing die lange Zeit
An euch mit Lieb' und Zärtlichkeit,
Seid gut, und gebt ein kleinstes Stück
Mir eures großen Glück's zurück!

"Zurück, zurück!" scholl's fern und nah,
Und Berg' und Bäume nickten: Ja!
Es nickte Blümlein, Lauch und Kohl,
Das that dem Herze herzlich wohl! -
***

Ei, Quell und Bächlein drängt und eilt
Und Fluß und Strom geht unverweilt -
Dem Meere zu, dem Meere zu,
Darein versenkt - ist Ruh', ist Ruh'!

Der ems'ge Schlängelgang ist aus,
Man sieht sich um im großen Haus,
Das kleine Würmlein wird zum Wurm
Und kennt hinfort nur mehr den Sturm:
Da freilich ist es fürchterlich,
Bäumt zischend auf gen Himmel sich,
Sonst wiegt und wogt es nur in Lust
Und drückt den Himmel an die Brust.

Collection: 
1855

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