Treue Liebe gleicht dem Blüthenbaume,
Der im wunderreichen Frühlingstraume
Plötzlich übersät von Blüthen steht;
Er beschirmt der Nachtigallen Lieder,
Senkt sich zu den bunten Blümlein nieder,
Von der Lüfte Balsamhauch durchweht.
Und wenn rauhe Wetterstürme kommen,
Wenn der Herbst den Blätterschmuck genommen,
Eisbereift die kahle Krone steht;
Knickt der Stamm doch nicht der Stürme Toben,
Aus der Blüthe wird die Frucht gewoben,
Nicht im Frost der Lebenskern vergeht.
So die Liebe! - Blüthenreich im Lenze,
Siegesprangend, wie des Sommers Kränze,
Treue lohnend, wie des Herbstes Frucht;
Gleich dem Baume, der in Winterstagen
Von des Beiles scharfer Wucht geschlagen,
In der Flamme die Verklärung sucht.
Leuchtend, wärmend endet er sein Leben,
Doch die hellen Feuergeister schweben
Jauchzend in dem Flammenelement;
Und die Liebe, die dem Blick entschwunden
Hat in Gott das ew'ge Licht gefunden,
Das durch alle Zeit und Welten brennt.
aus: Wiesenblumen von der Sieg
und Feldblumen vom Rheine
Von Kath[arina] Diez und Elis[abeth] Grube geb. Diez
1. und 2. Theil
Düsseldorf 1847