An die Geliebte

Mir wogt ein Lied im tiefen Herzensgrunde,
Die Seele wallt, ein graues Nebelmeer,
Beim Nah'n der goldumsäumten Morgenstunde,
Von Thränenthau sind mir die Wimpern schwer -
Vor deinem Augenstrahl, mein süßes Leben!
Wird sich das mächt'ge Chaos leis entweben.

Du sei mir hold, du wolle freundlich trösten,
Was schmerzlich mir am frohen Dasein nagt,
Wenn Blick und Wort mich von der Angst erlösten
Die kaum dem Lied sich zu vertrauen wagt:
So sei der Liebe Wunderkraft gepriesen,
Die sich in dir als Zauberin bewiesen.

Ich bin um meinen schönsten Traum betrogen,
Aus meiner Hoffnung Himmelreich verbannt -
Doch erst wenn mir dein holder Blick gelogen
Sei schlecht und falsch die Welt von mir genannt;
So lang ich darf in deiner Liebe leben
Sei dem Geschick ein jeder Schmerz vergeben.

Du kennst mein Herz, du weißt es, durch die Menge
Geh' ich mit kühnem Wort und stolzem Blick,
Mich kümmert nicht das eitle Weltgedränge,
Ich ford're nichts vom Reichthum und vom Glück,
Doch unersättlich ist mein heißes Lieben
Und auch von dir ist mir das Herz verschrieben.

Und dieser Schuldbrief deiner schönen Seele
Der steht mit Flammenschrift in meiner Brust,
Und was ich auch vom Lebensschatze wähle
Sein Inhalt ist mir immerdar bewußt,
Und wenn mich deine Blicke liebend fragen:
So wolle stets mir holde Antwort sagen.

Dein Herz will ich - du hast es mir gegeben
Und mein war alles heiß geträumte Glück,
Da braust heran das bunte laute Leben
Dich faßt der Strom - - o, nimm es nicht zurück! -
Der Lebensstrom stürzt unaufhaltsam nieder. -
Verlorne Lieb' bringt keine Welle wieder! -
(1843)

aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857

Collection: 
1857

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