Geist der Liebe

 
Der Abend schleiert Flur und Hain
In traulich holde Dämmrung ein;
Hell flimmt, wo goldne Wölkchen ziehn,
Der Stern der Liebeskönigin.

Die Wogenflut hallt Schlummerklang,
Die Bäume lispeln Abendsang;
Der Wiese Gras umgaukelt lind
Mit Sylphenkuß der Frühlingswind.

Der Geist der Liebe wirkt und strebt,
Wo nur ein Puls der Schöpfung bebt;
Im Strom, wo Wog' in Woge fließt,
Im Hain, wo Blatt an Blatt sich schließt.

O Geist der Liebe! führe du
Dem Jüngling die Erkorne zu!
Ein Minneblick der Trauten hellt
Mit Himmelsglanz die Erdenwelt!

aus: Gedichte von Friedrich von Matthisson
Fünfzehnte Auflage Zürich
bei Orell Füßli und Comp. 1851

Collection: 
1815

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