Wülfingerode bei Nordhausen, am 9. Februar 1785
Die Kraft des Geistes, über Land und Meer
Sich hin zu schwingen zum entfernten Freund,
O, welch' Geschenk des Allbeseligers!
Wen muntert nicht des edlen Freundes Bild
Zur Tugend auf? - Das deine, theurer Fritz,
Liebt' ich, bevor mein Auge dich geseh'n;
Schon da entflammt' es oft zur Tugend mich.
Doch öfter schwebt's und freudiger mir vor,
Seit, an der Elbe Strand, mit dir ich sah,
Von Blüthenduft umweht, den Abend sanft
Erröthend flieh'n. Ich fand in dir vereint,
Was ich gesucht, gleich trefflich Herz und Geist. -
Den hohen Dichter ehrt' ich lange schon
In meinem Fritz; doch mehr, unsäglich mehr
Ward er mir nun, als Gatte, Bruder, Freund.
Die Trennungsstunde schlug. Wer saget, was,
Voll schönen Kummers, dann die Seele fühlt,
Wann Trennung sie beklemmt, und, Nebeln gleich,
Die spät im Herbst die Abendsonn' erhellt,
Der Traum genoss'ner Freuden sie umschwebt?
Die wehmuthvollste Thräne sagt's nicht ganz -
Nun eil' ich, trotz der Trennung, oft zu dir
Auf Geisterschwingen, unaufhaltbar, hin.
Im Kreise deiner Theuern seh' ich dich,
Wie du Natur und Kunst, der Menschen Werth,
Der Freundschaft himmlisch Glück zu schätzen weißt;
Und schickt mir Gott der Freude Stunden zu,
Gesandtinnen des Himmels, sieh! alsbald
Steht auch dein liebes Bild vor mir, und dann
Kann ich von dir nicht schweigen. Frei und laut
Verkünd' ich jedem Edelfühlenden:
"Er, Deutschlands Stolz, Fritz Stolberg, ist mein Freund!"
Doch g'nüget dir's, wenn so mein volles Herz
Von Freund zu Freund die Heroldskunde macht?
Und wäre dir, du Unvergeßlicher,
Nicht auch einmal, schweigt deine Feder gleich,
Ein kleiner Brief von deiner Freundin lieb?
Wohl! Höre denn, wie jetzt Elisa lebt.
Von Höfen fern und vom Geräusch der Welt,
Genieß' ich hier der Freuden reinen Kelch,
Der nie sich leert, weil Schönheit der Natur
Und Freundschaft stets das Schenkenamt verseh'n.
Hercynia, die Wolkenträgerin,
Durch Silberreif und ewig Eis verschönt,
Und rings herum Quellwasser, Wald und Thal,
Entzückt das Auge; Göckingk's edler Geist
Hebt aber doch Elisa's Seele mehr,
Als alle Pracht der wechselnden Natur.
Sein Landhaus schließt mich und die Lieben ein,
Die, fernher von des Vaterlandes See,
Bis an die Zorga, freundlich mein gepflegt.
Der Musen, wie der Tugend, heil'ger Sitz
Ist meines Freundes Landhaus dem, der ihn,
Das liebenswerthe Weib an seiner Hand,
Sieht wandeln durch des Lebens Labyrinth.
Was anmuthsvoll uns seine Muse lehrt,
Das lehrt, o Fritz, sein häuslich Leben mehr.
O! schautest du in Göckingk's Herz mit uns,
Du fändest unverzeihlich, daß - - Wohlan!
Es fluth' hervor, was keine Schleuse zwingt!
Darstellt' ich dein und deiner Lieben Bild
Amalien und ihrem Amaranth.
Wie freute eurer Seelenwürde sich
Dies edle Paar! Sie riefen: "Schöne Welt,
Worin es noch so wahre Menschen gibt!
Pflanzt Eigennutz und Menschenhaß auch auf
Des Wallers Pfad der Dornen viel; sie wird
Für den, der Freunde liebt, zum Paradies."
Doch Göckingk wischte schnell verstohlen sich
Aus blauen Augen eine Thrän', und wollt'
Erst nicht gesteh'n der Thräne wahren Quell.
Da führt' er schweigend an das Fenster mich,
Hinzeigend nach dem Berge, welcher dir
Den Namen gab, und seufzt', und endlich floß
Das Herz ihm über: "Sieh', Elisa, dort,
Dort war dein Freund im letzten Sommer; doch
Nicht hier! und wußte gleichwohl, daß ein Herz,
Nicht unwerth seiner, ihm entgegen schlug!" -
Verzeih' mir's, Göckingk, daß ich's ihm verrieth!
Verzeih' auch du den freundlichen Verweis!
Du hast um eine Freude dich gebracht,
Die dir so nah', du Freudensucher, lag;
Denn wiss': ich kenne kaum ein Herzenspaar,
Das die Natur so für einander schuf!
O! lasset beide mich den Priester sein,
Der euch zusammengeb'! Ihr liebt euch ja
So lange schon. Was säumet ihr dennoch!
aus: Deutschlands Dichterinnen
in chronologischer Folge
herausgegeben von Abraham Voß
Düsseldorf 1847