Flieh

Ich  saß bei dir und las dir Lieder,
Wie ward dein Antlitz aufhorchsam,
Dein Busen wogte auf und nieder,
In's Auge dir die Thräne kam.

Du lauschtest tief, ich schwieg schon lange,
Wohin hat sich dein Geist verirrt?
Und wie erwacht aus Träumen bange,
Sahst du zu mir empor verwirrt.

Du hörtest nur den Laut der Rede,
Melodisch wiegte sich der Klang,
Schon schmiegt sich, wie der Schwan an Lede,
An deine Seele mein Gesang.

Flieh! Wie der Stein der Bolognesen,
Der Lichtmagnet, in Flammen blüht,
So leuchtet auch mein ganzes Wesen,
Von Frauenschönheit angeglüht.

Das Wort wird kühn, phantastisch leuchten
Gedanken um mein Angesicht,
In Reue wird sich bald befeuchten
Dein schönes Auge, fliehst du nicht.

Mich reißt es zu des Ruhmes Fahnen,
In des Gedankens weite Bucht,
Ein Herz voll Gluth und Himmelsahnen
Hält mich nicht fest auf meiner Flucht.

Was einem Andern das Entzücken
Vielleicht vom ganzen Dasein ward,
Ich mag die Blume stürmisch pflücken
Bei flüchtiger Vorüberfahrt.

aus: Gesammelte poetische Werke
von Ludwig August Frankl
Erster Band
Wien Pest Leipzig A. Hartleben's Verlag 1880

Collection: 
1880

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