I.
Versuchung
Tiefe schwüle Augenpaare,
Rote Lippen wünschevoll,
Stirngekräuselt Lockenhaare,
Atemzüge tief und voll.
Augen, die mir leuchtend winken,
Runder Nacken, schimmerndweiß,
Küsse, die mein Herzblut trinken,
Busenheben schwer und heiß.
Schultern, die kokett sich zeigen,
Tausend Wonnen süßer Lohn!
Ach, was soll ich es verschweigen,
Wer bleibt da ein Sankt Anton! - - -
II.
Die Rose
Diese letzte rote Rose
Hab ich für dich, Lieb, erstanden,
Und ich berg sie still im Mantel
Daß im Schnee sie nicht erfriere.
Diese letzte rote Rose
Bring ich her durch Ungewitter;
Lustig tanzt ein Schneegestöber
Flockenwirbelnd durch die Lüfte.
Oben glänzen tausend Sterne
Auf die weißen Straßen nieder,
Und sie dämmern fast wie schläfrig
Unterm weißen Flockentuche.
Aber Lieb, nun sag mir endlich,
Warum heut' so früh zu Bette,
Bist du heute so verschlafen?
Oder warst du so verfroren?
Ach, die Ampel brennt so traulich,
Diese wohlig weiche Wärme,
Dieser Hauch von Rosendüften,
Diese schlummersüße Stille!
Diese letzte rote Rose
Soll die weiße Brust dir schmücken,
Halt nur still, mein Lockenköpfchen,
Schlag nicht wie ein kleines Kätzchen,
Murr nicht wie ein kleines Kätzchen,
Lach nur mit den Purpurlippen;
An des Hemdchens weißer Spitzen
Soll sie deine Brust dir schmücken.
Schlag nicht wie ein kleines Kätzchen,
Weil die Dornen dich gerissen,
Denn ich hab nicht viele Uebung,
Zofenartige Talente.
Lieb, mit diesen kleinen Tropfen
Roten Bluts, der dir entflossen
Zwischen weißen Psychebrüstchen,
Trink' ich süßes rotes Herzblut.
Seit ich nun dein Blut getrunken
Aus dem Herzen dir geronnen,
Trink ich tausend Leidenschaften,
Unerschöpfte Götterwonnen.
III.
Die Lampe
Mein Lieb, warum so schämig rot?
Die Lampe ist ja tief geschraubt,
Du scheust das grelle Licht, drum birg
An meine Brust dein Lockenhaupt!
Laß küssen mich den weißen Hals,
Die Psychebrüste, wonnig weich ...
Lösch aus, o Licht, denn selig winkt
Der Wonnen ganzes Himmelreich ...
IV.
Vor dem Schaufenster
Ach, Schwarzköpfchen, wirklich!
Es ist keine Art,
Daß ich hier am glänzenden Schuhwarenfenster
Ein Stündchen lang wart!
Wär hier nicht der Waaren
Neugier'ge Pracht,
Ich hätt' mich, beim Himmel, schon längst vor Aerger
Davon gemacht! ...
Doch sah' ich viel Schuhe
Gestickt mit Brokat,
Hellglänzend von Seide; so spitzig, so zierlich,
So blitzend die Naht.
Die weißen Brautschuhe,
So wunderhübsch fein,
Es kommen, das dacht ich, blitzniedliche Füßchen
Wohl einmal hinein.
Und dazu noch Strümpfchen
So duftig und zart;
Und die Beinchen darinnen fleischrosig erschimmernd
Von zierlichster Art ...
Schon wollten die Träume
Noch höher sich ranken, ...
Da kamst du, mein Lieb, sonst hätt ich noch manchen
Unheil'gen Gedanken!
V.
Idyll
Wie deine Wangen glänzen
Du süßes Lieb;
Schweratmend liegst du da,
Der Leib schimmernd und
Schmiegsam wie Weidengerte,
Mit Funkelaugen
Und wirrem Haar ...
Selig erschöpft,
Mit der Hand,
Mit der kleinen weißen Hand
Deckst du mir,
Schamhaft errötend
Die lächelnden Augen zu
Und dann
Mit einem Ruck
Voll drolligen Zornes
Wendest du plötzlich dich um
Und zeigst mir des Nackens
Rotschimmerndes Rund.
Wie'n kleines Kätzchen
Knurrst du und murrst du
Und preßt das erhitzte Antlitz
In's verschwiegene Kissen ...
Endlich nach langem
Lachen und Kichern
Wendest du zu mir
Das kleine Näschen,
Das rote Mündchen,
Die Funkelaugen
Und schneidest, ein unartiges Kind,
Ein dummes Gesichtchen
Und zeigst mir neckisch
Des Züngleins rosige Spitze.
Ach Lockenkopf, sei nicht so thöricht
Und schneid' nicht naiv
Solch dummes Gesichtchen,
Dann flüstre ich ein Wörtchen
Ein einziges, dir
Ins kleine liebliche Öhrchen
Dann bist du klug,
So klug,
Nicht wahr,
Du Liebling,
Du kleines Kätzchen,
Du Lockenköpfchen,
Denn Liebe macht klug,
So klug ...
VI.
Venusstern
Oftmals lieb ich nicht die Sonne
Vorlaut heiße Strahlenpracht,
Denn manch trunkner Liebesseufzer
Siegt viel leichter in der Nacht!
Wenn das All verschlafen atmet,
Sonnenlicht so himmelsfern,
Preis' ich dich verschwiegnen Herzens,
Venus: Morgen-, Abendstern! ...
VII.
Mysterium
- Wie fahler Irrlichtschein
Den einsamen Wanderer
Lockt in Todespein,
So deines Leibes knospenhaft
Blühende Pracht
- Im Dunkel der Nacht
Dem Unstet Verdammten
Fieberhaft winkt.
Schweratmend mit heißem Blut
Nachstürzt er der Flammenglut,
Tausend Wonnen er gierig trinkt.
- Im Erschöpfungdampfe der Leidenschaft
- Wandelt riesengroß-schattenhaft
Das große Geheimnis
Des Lebens ...
VIII.
Im Spiegel
"Ich weiß nicht, Lieb, was du nur heute hast,
Du bist so still, ich kenn' dich gar nicht wieder.
Dir zuckt der Mund in schmerzlich banger Hast
Und fiebernd glühen deine Augenlider.
Mein süßes Lieb, komm sag mir, was dir ist,
Ich kann nicht sehn dies müde stumme Zagen!
Was soll ich thun, da du so traurig bist,
Wenn ich nicht weiß, warum dein tonlos Klagen?
Was taucht dein Blick in meinen langsam ein
Aus braunen Augen unaussprechlich müde?
Wie kann ich, bei dir sitzend, fröhlich sein,
Wenns zuckend quillt dir unter'm Augenlide?" ..
""Still, setz dich zu meinen Füßen,
Mein Liebling, und höre zu!
Daß mirs im Herzen so trübe,
Nur ich bin schuld, nicht du!
Ich hab dir erzählt gar manchmal,
Von meiner Freundin Margr'ret.
Wie sie für Mutter und Schwester
Gar fleißig zu Hause genäht.
In Schule die schönste von allen,
So war sie wie Milch und Blut.
Sie war meine liebste Freundin
Und war mir von Herzen gut.
Wir wurden dann eingesegnet
Und sahen uns dann und wann.
Wir mußten ja beide verdienen!
Und bitter kam es uns an!
Vor einem Halbjahr war es,
Seit ich sie zuletzt gesehn,
Da kam heut' die kleine Schwester;
Ich sollte doch mit ihr gehn.
Und wie ich zu ihr gekommen,
Da lag sie mit wirrem Haar
Totbleich in ihren Kissen ...
Ich wußte nicht, wie mir war!
Da faßte sie meine Hände
Und zog mich weinend aufs Bett;
Erzählt' mir, wie es gekommen,
Daß sie mich gemieden hätt.
Sie war in Schande gefallen;
Sie hatte ihn heiß geliebt;
Er hatte sie heimlich verlassen,
Sie war so tief betrübt.
Ich konnte kein Wort ihr sagen,
Mir war es so schwül und heiß.
Ich küßte ihr weinend die Stirne,
Die Hände, so zart und weiß.
Mir sagte sie ihren Jammer!
Mir sagte sie ihre Not!
Mir war, als säß ihr zu Häupten
Kalt lächelnd der winkende Tod.""
... Aufschluchzend sinkt mein Kopf dir in den Schoß;
Schwer ruhen auf dem Haupt mir deine Hände,
Und deine Augen schauen wesenlos
Als wenn ein bleicher Schatten vor dir stände:
Ich sehe Schatten schleichen an der Wand.
O seid nicht schlimmer Zukunft bange Mahnung!
Was ruht auf meinem Haupt so schwer die Hand
Wie eine weinend trübe Schicksalsmahnung?
Was kann ich stammeln als "Vergieb," "Vergieb!"
Weil ich Erfüllung flehte meinem Harren!
Sprich nur ein einzig Wort, du süßes Lieb!
Nicht dieses wort- und thränenlose Starren!
Was schaust du an mich fragend wie gebannt,
Als willst du mir der Seele Tiefstes trinken?
Hast du im Schicksal jener deins erkannt?
Und siehst du deine tote Freundin winken? ...
IX.
Ich steh auf Bergeshöhe; schwarz gähnt um mich die Nacht;
Dort unten schweigt das Städtchen, hoch oben Sternenpracht.
Ich lehn' wie traumverloren am hohen Steineswall;
Ein totenstiller Friede durchwebt das müde All.
Da schwatzt und kichert's langsam den dunklen Weg empor.
Und da, da dringt ein Lachen aufschluchzend an mein Ohr.
Ich kenne die süße Stimme, den Mund, der so wonnig lacht!
Gehetzt von Wehgedanken durchirr ich allein die Nacht.
X.
Ich seh dich auf der Bühne scherzen, lachen,
Viel süße Blicke, Liebesseufzer wechseln,
Geschmeidig glatte Complimente machen
Und schöne Phrasen recht gefühlvoll drechseln!
Dann kannst du jammern, schmerzlich Hände ringen,
Nioben gleich vor Schmerz versteinert scheinen
In Tönen schluchzen, die das Herz durchdringen,
Und schöne Phrasen recht gefühlvoll weinen! ...
So hast du mir gelacht aus Lippen weich und rot!
... Mich packt ein Weinen, dumpf von Zorn und Not! ...
So hast du mir geweint aus Augen thränennaß!
... Mich packt ein Lachen, dumpf von Hohn und Haß! ...
XI.
Wiedersehen
Ich sah dich wieder
So engelsschön,
Wie ich dich im Frühling
Einstmals gesehn.
Einst konnt ich treulos
Von dannen gehn
Unmutig hassend
Ein Wiedersehn.
O könnten wir uns
In Unschuld nahn!
O Menschenherz!
O Trug und Wahn!
Ich schau dich immer
Und immer an,
Und werde wieder
Ein schwacher Mann ...
Ach, wär das Vergang'ne
Verweht wie Schaum,
Ich sollte dir küssen
Des Kleides Saum,
Dich halten, dich pressen,
O wonniger Traum,
Dich lieben, dich lieben
Ob Zeit und Raum! ...
Doch würd'st du mich küssen
Voll Leidenschaft,
Mir niederschmeicheln
All Manneskraft, ...
Ich könnte dich morden
Ich weiß nicht was,
Dich lieben aus Liebe,
Dich morden aus Haß!
aus: Funken. Neue Dichtungen
von Ludwig Jacobowski
Dresden und Leipzig 1891