Erinnerung

 
War es dir, dem diese Lippen bebten,
Dir der dargebotne süße Kuß?
Giebt ein irdisch Leben so Genuß?
Ha! wie Licht und Glanz vor meinen Augen schwebten,
Alle Sinne nach den Lippen strebten!

In den klaren Augen blinkte
Sehnsucht, die mir zärtlich winkte,
Alles klang im Herzen wieder,
Meine Blicke sanken nieder,
Und die Lüfte tönten Liebeslieder!

Wie ein Sternenpaar
Glänzten die Augen, die Wangen
Wiegten das goldene Haar,
Blick und Lächeln schwangen
Flügel, und die süßen Worte gar
Weckten das tiefste Verlangen:
O Kuß! wie war dein Mund so brennend roth!
Da starb ich, fand ein Leben erst im schönsten Tod.

aus: Gedichte von L. Tieck Zweiter Theil
Dresden 1821

Collection: 
1821

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Leiser rauschet der...

 
Oftmals durch den grünen Wald
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Uebergroße Freude an;
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Wieder glaub' ich sie zu sehn
...

 
Muß es eine Trennung geben,
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Seh ich in die...

  Glosse

Mondbeglänzte Zaubernacht,
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Wundervolle Märchenwelt,
Steig' auf in der alten Pracht!

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Niemals lernen, oder lehren,
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