Erde und Himmel

 
Erde,
nicht lange mehr
dann bitte ich Dich: Nimm!

Was Deines Teiles ist,
nimm, gute Erde, nimm!

Bleiche, zermahle, forme wieder,
- wie Du es machst, ists gut.
An Deiner ewig frühlingsfrischen Brust
zwitschert das Leben.

Du kränkst mich nicht, Türhüter Tod!

Zwar schuldest
Du mir noch manches, schöne Erde,
manches.

Ich duldete. Ich litt.

Doch, wenn mein Herz,
gebückt, zerpflückt,
getrieben von Befehlen
fremder Gesetzestafeln, die es nicht verstand,
in die Gewebe seines Schicksals brach,
und haderte in seiner Stummheit Kerker,
sprach ich begütigend, mit hellen Blicken:

Lebe! Mein Herz
bewohne Deinen Traum.
Verebbtest Du,
ich würde Dirs nicht danken!

Vom Urgefühl des Lebens so durchsonnt,
Schmerz, namenloser Du,
Schmerz,
nicht mehr Schmerz,
der Liebe Liebstes Du,

weit über Werden und Vergehn.
Glutmelodie, beseelt emporgetrieben.

Selige Lindigkeit,
wenn Gottes Finger
die wunde Brust berührt. Erschüttert. Formt.

Herz,
Quell erhabener Kräfte!

Wie es in Demut hingebeugt
Euch, schwebende Sekunden
empfängt, gebiert, hinausstößt,
wiederum
in blanken Spiegeln einfängt,
fromm erschauernd:
"Gott," stammelt "Gott!"

Und so zum machtvollen Akkorde
der ewigen Bejahung schwillt.

Quell du!
Erhabener Quell!

Collection: 
1922

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