Ein Mondaufgang

VON einer bleichen Mondesahnung wurde
des Himmels Antlitz fast verzerrt. Was vorher
nur finster war, das wurde furchtbar jetzt.
Des Meeres Raunen wurde eine Klage,
die mir das Herz zerriß. Ein düsteres Drohen
quoll's aus den schwarzen Wassern, die voll Gier
an messerscharfen Felsen nagten. Jäh
sprang eine wilde Furcht in mir empor.
Und da geschah es, daß das Übermaß
des Schmerzes, der so lange mich zerfleischt,
mich grauenvoll verstörte. Und ich kannte
mich selbst nicht mehr. Nur eines dachte ich:
Dich! Dich!! für die ich tausend Tode einst
gern sterben wollte. Eines fühlt' ich nur:
Dich! der ich eine Seele schenkte, die
nicht mein war, und die du getötet hast!
Aus einer Wolke quoll's wie schwarzes Blut
in zähen Tropfen, und die Finsternis
griff würgend nach der Kehle mir. Da reckte
ich meinen Arm empor, und wie ich's tat,
ich weiß es nicht. Doch alle Kraft der Seele
und alle Herzensglut legte ich in ein Wort:
und fluchte dir! — die meine Sonne war.

Collection: 
1907

More from Poet

  • DOCH dies ist wahr: Mensch ward ich erst durch dich.
    Was in mir schlummerte, ist erst erwacht,
    als ich dich sah. Als in die tiefste Nacht
    der Leiden du mich stürztest, da begab es sich,
    daß Unerhörtes in mir auferstand.
    Mensch...

  • UND sei geduldig! Nur noch kurze Zeit,
    dann werd ich nichts als ein Erinnern sein,
    das wie im Traume deine Stirn umweht,
    nur eine Stimme, die von ferne fleht,
    nur eine Stimme aus der Dunkelheit. —
    Ich werde nichts als ein...

  • UND meine Seele ist dir ganz vermählt.
    Mit all den heißen Kräften meines Lebens,
    den innersten, halt ich dich so umfangen,
    daß nichts uns trennen kann. Und all des Gebens
    wird nie ein Ende sein. Denn ungezählt
    sind meine Schätze...

  • DEN Kräften, die sich in mir lösen wollen,
    kann niemand als nur du Befreiung schenken.
    Drum möchte ich mich ganz in dich versenken:
    Du bist mein Können, Müssen und mein Sollen.

    Wie Wolken, die am Abendhimmel träumen,
    nach...

  • DURCH die Zweige weint der Wind.
    Ich halte deine Hände,
    die kühl wie Marmor sind,
    und weine auch.

    Du bist mein Kind,
    nicht wahr, mein Kind bist du?
    Und meine Liebe, meine Liebe deckt dich zu. —
    Der Mond...