Ein Dutzend Liebeslieder

Aus: Lieder eines Erwachenden

1.
Schon wieder ein beblümtes Blatt
Von Liebeslust und Gram!
Wir haben ihn von Herzen satt,
Den ganzen Liebeskram;
Was kümmert uns dein Trachten noch
Nach deiner schönen Fee,
Was kümmert uns dein Schmachten doch
Und was Dein Herzensweh?

Der großen Zukunft Samenkorn,
Zum Säen liegt's bereit.
Es wölkt sich mit Gewitterzorn
Das finstre Aug' der Zeit;
Der eherne Trompetensturm,
Der ist es, der uns kirrt.
Was schiert's uns, ob an Fräuleins Turm
Des Ritters Laute girrt. -

Es ist ein tiefes, ernstes Wort,
Was ihr da alle sprecht,
Ich sprech' es selber fort und fort,
Und sprech's mit Fug und Recht;
Doch wenn die Tat einmal verübt,
 Was hilft dann das Gericht?
Ich hab' mich nun einmal verliebt
Und kann es ändern nicht.

2.
Prahlerei
Und bist Du stolz bei meinem Eid,
Viel stolzer bin ich doch,
Und blühte zehnmal blumiger
Dein blühend Blumenjoch,
Und prangte zehnmal prangender
Dein wundervoller Bau,
Noch bangender, verlangender
Dein Auge himmelblau.

Und bist du kalt, du stolzes Herz,
Viel kälter noch bin ich:
Und flammte zehnmal flammender
Dein Antlitz morgendlich,
Und wäre noch gewaltiger
Der langen Wimper Zug,
Noch lichter, lenzgestaltiger
Der ganze Feentrug.

Und als ich diese Reime schrieb,
Da wußt' ich nicht, warum?
Und als ich sprach von kalt und stolz,
Da war ich herzlich dumm.
Es bannt aufs Knie mich mit Gewalt
 Ein Augenblitz, ein Wort.
So bleibe stolz und bleibe kalt,
Nur jage mich nicht fort.

3.
Du wunderschöne Schlanke,
Dir biet' ich all mein Herz,
Dies stolze, liebeskranke
Glutschmachtende Dichterherz.

Wohl möcht' ich es gern umschlingen
Mit Blumen aus Oft und Süd,
Zu deinem Preise singen
Ein holdes hehres Lied.

Ein Lied, das unermeßlich
Von Klang zu Klange schwebt,
Ein Lied, das unvergeßlich
Von Lippe zu Lippe bebt.

Ein Lied, drin Nebeldüster
Mit Himmelsbläue sich eint,
Ein Lied, drin Blumengeflüster
Im Waldesgebrause weint.

Drein möcht' ich verweben, verzweigen
Den ganzen tönenden Drang,
Verstummen darauf und schweigen
All all mein Leben lang.

Doch wenn ich zum stolzen Vermessen
 Mich stolz zusammengerafft,
Entgaukelt mir unterdessen
Die ganze Gesangeskraft

Es ist ein einz'ger Gedanke,
Der stiehlt mir Lied und Herz:
Du wunderschöne Schlanke,
Dir biet' ich all mein Herz.

4.
 Ich habe nie das Knie gebogen,
Den starken Nacken nie gebeugt,
Mit Stolze ward ich aufgezogen,
Mit Freiheit ward ich aufgesäugt.

Doch allem Stolz im Sein und Handeln
Entsagt' ich und der Freiheit mit,
Könnt' ich mich in den Staub verwandeln,
Den deines Schuhes Sohle tritt.

5.
 Ich bin gar lange gegaukelt herum
Als naschender Schmetterling,
Bis mich eine schöne Honigblum'
Im süßen Kelche fing.

Ich flatterte lang als Ikaros
Am Liebeshimmel umher,
Bis mich der Sonne Flammengeschoß
Geschleudert ins tiefe Meer.

Ich schaukelte lang in Well und Wind,
So wie ich oben flog,
Bis mich die Nixe, das lose Kind,
Am Beine hinunterzog.

Es treibt's ein jeder, solang' es geht,
Und jeden trifft's einmal,
Und wem der Wind nicht günstig weht,
Der zahlt's mit Höllenqual.

6.
 Wenn auf zu den Wolken ich schaue
Ins feucht umwölkte Blau,
Dann denk' ich an deine Augen,
Du wunderschöne Frau!
Und wenn die weinenden Wolken
Hinstäuben den Morgentau,
Dann denk' ich an deine Thränen,
Du wunderschöne Frau!

Und schau' ich zwei Wolken innig
Zusammenrinnen im Grau,
Dann denk' ich an unsre Liebe,
Du wunderschöne Frau!
Und tobt in der Wolken Busen
Der Grimm der Orkane rauh,
Dann denk' ich an unsre Schmerzen,
Du wunderschöne Frau!

7.
Zwei Abenteuer des verliebten Odysseus
I.
Deines Nackens stolze Beugung
Seh' ich weiß, als Fels sich dehnen,
Drüberhin mit Gruß und Neigung
Spielend hüpfen die Sirenen;
Deine Locken, deine nächt'gen,
Wie sie tanzen, wie sie flattern,
Um in ihren zaubermächt'gen
Ringen Herzen zu ergattern.

Ob ich an den Mast mich binde,
Wie der edle Laertide,
Es zerreißt das Taugewinde
Sehnsucht mir, die Eumenide;
Ob ich Aug' und Ohr vergittert,
Tobend will sie sich empören,
Bis das Band ich selbst zersplittert,
 Lauschen muß den Feenchören.

Und die Klippe zu umranken,
Sie zu küssen, heiß zu pressen,
Reißt mich's auf mit Glutgedanken,
Wollust atmend Tod vergessen,
Bis in quälender Verkettung
Mich umklammert die Sirene
Und auf harter Felsenbettung
Ächzt der Schützling der Athene.

II.
Aus dem blauen Schoß der Wasser
Fährt Poseidon rasch und plötzlich;
Um die Stirn dem Weltumfasser
Weht das Haupthaar wild, entsetzlich!
Von dem Bart des Mastzersplittrers
Träuft der Flutschaum Aphroditens,
Um das Roß des Erderschüttrers
Schwärmt das Meervolk Amphitritens.

Das ist dein Werk, Atrytone!
Tochter du vom Blitzversender:
Auf des Weltalls Wellenzone
Segelt der Zyklopenblender.
Stürmisch walle, Wogenbusen,
Stäube, Meer, in Schaum und Flocken!
Gleich den Nattern der Medusen
Schüttle deine Silberlocken!

Auf des Atlas Himmelsfirne
Regt der Notos sein Gefieder,
Sausend von des Berges Stirne
 In die Meerflut stürzt er nieder,
Legt sich grimmig und zerkrallend
An Thalattas volle Brüste,
Mit dem Fittich donnerschallend
Peitscht er Hellas Felsenküste.

Rasend in des Untiers Klammern
Hebt die Brandung an zu pochen,
Aus des Abgrunds Wogenkammern
Läßt sie Strudelwellen kochen.
Aufwärts zu des Himmels Lichtung
Wirft im Zorn sie Mast und Schiff mir,
Bis in tosender Vernichtung
Mast und Schiff zerschellt am Riff mir.

Wie der Schnee auf Erymanthos,
Der in Morgenstrahlen leuchtet,
Wie der Silberschwan des Xanthos,
Der im Strom die Schwinge feuchtet,
Hebt ein Hals, vom hellsten Scheine
Blendend, sich im Wogenschlage,
Steigst du selber, wunderreine,
Als Leukothea zu Tage.

Mit dem Schleier deiner Milde
Hast du zärtlich mich umwoben,
Aus dem heil'gen Meergefilde
 Rettend mich emporgehoben,
Daß die Wellen mit Gekose
Mich an Scherias Borde trieben:
Doch du selber, schöne, lose!
Bist im Meer zurückgeblieben.

8.
Ganz oder gar nicht
Wer da will der Liebe leben,
Muß sich ganz der Liebe geben,
Sich nicht teilen, nicht zersplittern,
Ganz im Kuß hinüberzittern;
Muß des Herzens ganzes Drängen
Auf des Mundes Spitze zwängen;
Muß nicht denken, rechnen, klügeln,
Sich nicht fesseln oder zügeln;
Muß den Arm nicht ängstlich halten,
Gilt es, Hüften zu umfalten;
Nicht voll Scheu die Hand befühlen,
Gilt's, im seidnen Haar zu wühlen;
Muß im seligen Versenktsein
Unklar, ob er ist und denkt, sein.

9.
 Ich wollt', ich wäre ein Dichter,
Ein Dichter reich und groß,
Die Perlen, meine Lieder,
Die würf' ich in deinen Schoß.

Auf meiner Dichtung Blüten
Da sollte wandeln dein Fuß,
Die Geister meiner Träume,
Sie böten dir Knechtesgruß.

Sie müßten dir dienend huld'gen
Als ihrer Königin;
Ich wollt', ich wäre ein Dichter,
Weh mir, daß ich's nicht bin!

10.
Spiegelbilder
I.
Ich hab' einen großen Spiegel,
Das ist das grüne Meer,
Blaß werfen die Wasserhügel
Mein blasses Gesicht mir her.

Es dehnt sich und es bricht sich
Auf jeder Woge Bug,
Es zieht sich und es flicht sich
In jedes Wirbels Zug.

Die Wellen, sie wallen und rollen
Sich übereinander hinauf,
Draus sieht im stummen Grollen
Mein finsteres Auge herauf.

II.
Ein Spiegel von bösem Schimmer,
Das ist dein Auge blau,
Darin ich nimmer und nimmer
Und nimmer mich müde schau'.

Doch ob ich schaue und schaue,
Viel Gutes erseh' ich mir nicht,
Nie spiegelt sich unter der Braue
Mein eigenes Angesicht.

Zwei fremde Augen sind es,
Die sehn mich spottend an:
Im Auge des schönen Kindes
Da malt sich ein fremder Mann.

III.
Doch weg mit dem falschen Gesichte
Und weg mit dem falschen Meer!
Nun hol' ich vom treusten Lichte
Den treusten Spiegel mir her.

Ich reiße aus dunkler Scheide
Die Klinge breit und blau,
Drin seh' ich mit zorniger Freude
Mein zorniges Auge genau.

Drin steht es in rechter Flamme,
Die Funken aus Eisen preßt,
Du Spiegel vom echten Stamme,
Nur heute halte mich fest!

IV.
Als ich noch jung gewesen,
Einen Spiegel hatt' ich da,
Da machten die Leute ein Wesen,
Wenn ich in den Spiegel sah.

Sie schalten mich einen Gecken
Und stolz und eitel dabei;
Wie würden sie jetzt erschrecken!
Jetzt hab' ich der Spiegel drei.

Zum einen wend' ich mich heute,
Zum andern morgen hin,
Nun sagt mir, ihr guten Leute,
Ob ich nicht eitel bin?

11.
Bescheidene Bitten
Ich will ja nur an deiner Lippe sterben,
Als Sonnenstaub in deinem Kuß verfliegen,
Will nur den Schmerz, den tiefen schweren herben,
Mit deines Mundes Lethetrank besiegen.

Ich will ja nicht an deinem Munde saugen,
Nur fromm und gläubig in dein Antlitz schauen
Und auf dem Strahle deiner Wunderaugen
Zum Äther hin demantne Brücken bauen.

Ich will ja nicht in deinem Aug' mich sonnen,
Nur Worte tauschen süßer Minnefehde,
Nur rauschen hören deiner Lippe Bronnen
In sanften Wellen zarter Frauenrede.

Ich will ja nicht dich sehen, küssen, hören,
Ich will ja nur dein denken im geheimen
Und hoffnungslos der Saite Gold empören
Und mich ergehn in zarten Liebesreimen.

12.
 Dir hab' ich beklemmt und bänglich
Dies Dutzend Liedchen geweiht;
Die Sache ist bedenklich,
Denn gar zu ernst ist die Zeit.
Gern hätt' ich's im Geheimen
Dir klüglich zugestellt,
Es will von verliebten Reimen
Nichts wissen mehr die Welt.

Doch wenn mit feuchten Blicken
Dein Auge in meines fällt,
Dann muß darin versinken
Für uns die Zeit und die Welt.
Und wollte mich dann zerschmettern
Des Zeitgeists schreitender Fuß,
Ich würde dich sterbend vergöttern
Und sterben in deinem Kuß.

Collection: 
1887

More from Poet

Wie gerne dir zu Füßen
Sing ich mein tiefstes Lied,
Indes das heil'ge Abendgold
Durchs Bogenfenster sieht.
Im Takte wogt dein schönes Haupt,
Dein Herz hört stille zu,
Ich aber falte die Hände
Und singe:...

Kennt ihr mein Lieb, sein Aug' ist groß,
Kennt Ihr das Aug' und wie es trifft,
Schwarzdunkel wie der Wolke Schoß
Und leuchtend wie des Blitzes Schrift?
Schön ist es, wenn es lächelnd tagt,
Schön, wenn's im Kreis zorndunkel fährt...

Mein Liebchen komm, uns Beiden
Ist wohl, wenn der Abend scheint,
Es hat der Tag beim Scheiden
Sein Auge rot geweint.
Die allertiefste Bläue
Umduftet den Bergeswall,
Und wie in süßer Scheue
Murmelt der...

Du bist sehr schön, in dunklem Strome
Rollt dein Gelock, vom Wind gebläht,
Von deiner Stirne Marmordome,
Ein Siegspanier der Majestät!
Als wie die Palme windgebogen
Wogt deines Wuchses schlanke Höh',
Und deines...

O wecke nicht den scheuen Stolz,
Ihn weckt ein leicht Geräusch,
Er bricht den Liebespfeil im Holz,
Die Spitze bleibt im Fleisch;
Er geht urplötzlich wie ein Sturm
Durch den allerschönsten Mai,
Die Liebe krümmt sich...