Komm, du Ersehnter, im lieblichem Traume,
Stille mein Dürsten mit labendem Schaume
Aus dem erquickenden Kelche der Nacht. -
Die ihr den herrlichen Freund mir entrisset,
Euch ist vergeben, weil ihr nicht wisset,
Wie ihr mir Pein und Verzehren gebracht.
Quälende Sonne! Beschämt und verlassen
Muß ich vor'm Tage, dem harten, erblassen,
Ach und die liebenden Arme sind leer;
Aber in Träumen umfassen und halten
Darf ich die freundlichste aller Gestalten,
Und es verlanget die Seele nicht mehr;
Darf in den Armen der bräutlichen Freude
Schau'n und begehen das gold'ne Gebäude,
Wie es der Liebste der Gattin verspricht,
Und es bedrohet das höchste Genügen,
Wenn ich es trank in des Einzigen Zügen,
Weder ein göttlich noch menschlich Gericht.
Euch nur, ihr himmlischen Gäste dort oben,
Gleich ich, und fühle zu dir mich erhoben,
Göttliches, ewig befreites Geschlecht,
Liebe erweckend und Liebe begehrend,
Freudig empfangend und freudig gewährend
Üb' ich des Weibes geheiligstes Recht.
Kommt nun, ihr süßen erfüllenden Stunden!
Liebe, wo du deine Zuflucht gefunden,
Ist mir dein freudigster Becher erlaubt,
Weht um den Busen der Träume Gefieder,
Hab' ich, umfass' ich und küss' ich ihn wieder,
Den mir des Tages Entsetzen geraubt.
aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883