Wir saßen in der Laube
So selig Hand in Hand;
Da lag zu unsren Füßen
Ein Veilchen in dem Sand.
Wir sah'n es sinnend liegen,
Da sagtest du zu mir:
"Komm, laß es uns begraben,
Das warme Veilchen hier!"
Und in dem Sande gruben
Wir ihm ein kleines Grab,
Und legten mit einander
Die Veilchenleich' hinab.
Und deckten sie mit Rasen
Und frischen Blättern zu,
Und sprachen ernst und sinnig:
"Da, Veilchen, lieg' und ruh'!"
Nun hab' ich ihn begriffen
Den ersten Leichenscherz:
Er ward zur Vorbedeutung
Für unser eignes Herz.
Denn so wie wir das Veilchen
Verscharrt am stillen Ort,
Begruben wir nach Monden
Auch - unsre Liebe dort!
Aus: Bifolien Dichtungen von Johann Gabriel Seidl
Dritte verbesserte, vermehrte und mit des Verfassers
Bildniß versehene Auflage
Wien Pfautsch & Compagnie 1843