Der Himmelsbote

Da steh' ich nun auf fremder Flur,
So weit von Dir geschieden!
Ach nirgends Deines Wandels Spur!
Ach nirgends Trost und Frieden!

Hier grünt kein Baum, der über Dir
Sein Laubdach ausgebreitet,
Hier lächelt keine Blume mir,
Die Deinen Pfad bekleidet.

Den Wiesengrund, die grünen Höh'n,
Du hast sie nie durchwallet,
Nie hat in dieser Lüfte Weh'n
Dein theures Wort geschallet.

Fremd bleibet alles rings umher!
- Kein Abglanz froher Stunden
Erquickt das Herz, so bang', so schwer,
Erkrankt an Trennungswunden.

Doch sieh', welch milder Himmelsstrahl
Lacht dort aus dunklen Zweigen?
Will lindernd meiner Sehnsucht Qual
Ein theures Bild sich zeigen?

Es ist mein Stern, mein Abendstern!
Still flammt er in die Höhe,
Damit auf Alle, nah' und fern,
Sein Auge niedersehe.

Es ist dasselbe Himmelslicht,
Das mich und Dich umflossen,
Der Strahl, der um Dein Angesicht
Verklärungsglanz gegossen.

Oft fand dies Licht uns Hand in Hand,
Versenkt in sel'ges Schauen;
Als suchten wir das Vaterland
Der Lieb', in seinen Auen.

Und noch blickt er auf Dich und mich
Auf weitgetrennten Wegen,
Und streut auf mich, und streut auf Dich
Denselben Himmelssegen.

O, sey gegrüßt viel tausendmal!
Gegrüßt in Schmerz und Freuden,
Du lieber, Du vertrauter Strahl,
Du Zeuge froher Zeiten.

Nichts ist mehr fremd, nichts ist mehr kalt,
Seit Du mir aufgegangen,
Es hält mit süßer Allgewalt
Dein Zauber mich umfangen.

Und leis' ertönt's wie Melodie:
"Wenn nichts zum Trost Dir bliebe:
An Himmelsboten fehlt es nie
Der treuen, frommen Liebe."

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837

Collection: 
1836

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