In der Ferne

I.
Entfernt von dir, mein Herz, mein süßes Leben,
Eilt mein Gedenken fessellos zurücke
Und Phantasie trägt mich auf gold'ner Brücke
Zum Eiland hin, von stiller Fluth umgeben.

O, könnt' ich dort aus schwankem Kahn dich heben
Und jubelnd an das volle Herz dich drücken!
Wie würde dann im seligen Beglücken
Der Maientag im "Rosenthal" entschweben!

Ach Gott! wie himmlisch ist der Liebsten Nähe!
Und ob der Blick in einen Abgrund sähe
So schaurig bange ist der Trennung Schmerz!
O, könnten wir der Kleider enge Falten,
Die schweren Körper, die die Seelen halten,
Hinwerfend, flieh'n an Gottes Vaterherz!
(1854)

aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857

Collection: 
1857

More from Poet

  • Im Liebeswahnsinn hab' ich kühn beschworen
    Die Sternengeister, die die Welt regieren,
    Entgegen mir die Liebliche zu führen,
    Die sich mein Herz in weher Lust erkoren.

    Ach, meine junge Liebe, kaum geboren,
    Sie sollte dich mit...

  • Ich kam von dir im hellen Mondenlichte,
    Kalt weht der Wind, doch meine Wange glühte,
    Schnee deckt die Flur, doch meine Seele blühte
    Und üppig sproßten mailiche Gedichte.

    Da fiel's herab vor meinem Angesichte
    Vom Himmelszelt,...

  • Ein Lied an dich hast du mir aufgetragen
    Und ich erschrecke ob den süßen Pflichten,
    Du glaubst, um Liebeslieder schön zu dichten
    Bedürft' es nur die Saiten anzuschlagen!

    Vertraulich laß dir ein Geheimniß sagen,
    Ein Zauberwort,...

  • Als Kind schon hob sich mir in stillem Neide
    Die junge Brust beim Ruhm von Männerthaten;
    Doch fühlt' ich mich beglückt wenn Frauen nahten,
    Im holden Liebreiz, in der Anmuth Kleide.

    Sie waren Herzenslust mir, Augenweide!
    Ich...

  • Am Kirchenthore stand ich mit der Meinen -
    Sie neigte still das Haupt dem Benedeiten,
    Um mit dem hellen Wasser, dem geweihten,
    Im Kreuzeszeichen sich die Brust zu reinen.

    Wohl mocht ich ihr ein sünd'ger Ketzer scheinen -
    Doch...