Der Blumenkranz

     Einen Kranz hab’ ich gefunden,
Und in freudigem Erstaunen
Hab’ ich vor dem Kranz gestanden,
Hab’ ich vor dem Kranz gesessen,
Froher Rührung voll, das Auge,
Thränenlos bei manchen Schmerzen,
Von der Freude sanft befeuchtet,
Sprachlos lang – doch endlich sprach ich
Zu dem lieben bunten Kranze:
Schöner Kranz, ich weiß es sicher:
Wackre Männer, holde Frauen,
Haben dich vereint gespendet.
Diese haben dich erfunden,
Jene haben dich gebilligt;
Diese haben dich geschlungen
Und mit schönen Händen ämsig
Dich geschmückt mit zarter Schleife.
Dennoch muß ich sehr erstaunen,
Denn du sprichst so klar das Zeugniß
Des Vertrauens und der Neigung.
Wohnen die in solchen Herzen,
Ist unschätzbar solches Zeugniß.
Aber sprich, mein holdes Kränzlein,
Wie doch ist es mir gelungen,
Mir, der flüchtigen Erscheinung,
Das Vertrauen und die Neigung
Wackrer Männer, holder Frauen,
Mir im Fluge zu verdienen?

     Sprach darauf das Kränzlein wieder –
Und mein geistig Ohr, es glaubte
Einzeln deutlich zu vernehmen
Jetzt der Rosenknospe Stimme,
Jetzt die Töne der Levkoyen,
Jetzt der andern frischen Blumen.
Selbst die woll’ge Wiesenblume
Kos’te mit, doch sehr bescheiden,
Aber ließ vom Morgenwinde
Sich ein leichtes Flöckchen rauben
Und an meinen Mantel wehen.

     Und dies war der Blumen Rede:
Weißt du nicht, du kleiner Dichter,
Was vom Glück ein großer sagte?
„Aus den Wolken muß es fallen,
Aus der ew’gen Götter Schooße.“
Also sind sie dir geworden,
Das Vertrauen und die Neigung
Wackrer Männer, holder Frauen,
Diese köstlichen Geschenke,
Unverdient, doch wohlerworben.
Was du that’st, sie zu erwerben,
Wenig ist’s, du wirst’s bekennen.
Nahtest dich mit offnem Herzen,
Jungen Frohsinn im Gemüthe,
Schönen, heitern, offnen Herzen;
Fühltest Neigung und Vertrauen,
Zeigtest sie auch ohne Worte,
Und so hast du sie erworben.

     Vieles kos’ten noch die Blumen,
Und ich pflog noch manche Stunde
Mit den zarten Kindern Zwiesprach.
Leiser wurden da die Stimmen,
Immer leiser – und die Blüthen
Senkten sich, die Blätter welkten.
Und ich merkt’ es banges Herzens,
Wagte selbst kaum mehr zu sprechen.
Aber, mein Erbangen fühlend,
Hoben meine zarten Blumen
Blüthen, Farben, Worte wieder,
Sprachen dann in vollem Einklang:
Ja, wir sterben – alle Blumen,
Die der Erd’ entkeimen, sterben.
Doch wir leben, ja, wir leben,
Da Vertrauen uns und Neigung
Wackrer Männer, holder Frauen
In dem schönen Kranz gespendet –
Leben fort in einer Blume,
Welche, selber unverwelklich,
Uns bewahrt vor dem Verwelken,
Ob wir gleich uns jetzo neigen.
Dieses ist der Liebe Blume,
Die im warmen treuen Herzen
Blüht, bis es in Staub zerfallen.
Aber, wenn’s in Staub zerfallen,
Schwingt sich neu verjüngt, ein Phönix,
Diese Blum’ empor zum Aether,
Ganz aus reinem Licht gestaltet.
Dorthin fliegt sie, wo ein Glanzstreif
Sanften Lichts des Himmels Wölbung
Schön und wunderbar durchschneidet –
Milchstraß’ heißt er, von der Nahrung,
Die in brünst’gem Liebesdrange,
Alles gebend, nichts verlangend,
Treuer Mütter Busen spendet –
Zwar es sagen die Gelehrten,
Sterne seyen dies, unzählbar
Ausgesät im Himmelsfelde.
Doch der Liebe Blumen sind es,
Die dort ewig leuchtend blühen,
Eine klar im Schein der Andern,
Und sich wunderbar zum Streifen
In des Menschen Blick verschmelzen.
Und dort wird sie einstens blühen
Deines Herzens Liebes–Blume.
Wir auch werden mit ihr blühen
Hier im Herzen, dort im Lichte;
Denn dort ist für Myriaden
Solcher Blumen Raum vorhanden,
Ja, mehr Raum, je mehre blühen.

     Sprachen’s, schwiegen, welkten wieder.
Als das Kränzlein nicht mehr kos’te,
Hört’ ichs doch zu meinem Troste.
Und ob ich es welken sahe,
Frisch bleib Neigung und Vertrauen.
Und die Rosse flogen weiter;
Ich mit ihnen, klar und heiter,
Wackre Männer, holde Frauen,
Eilte fort, und blieb euch nahe.

Collection: 
1834

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