Das zerbrochene Herz

  (1844)

Ich ging im nächtgen Schweigen
Dahin am Felsenhang;
Es schien der Mond so eigen,
Mir war so seltsam bang.

Da zogen graue Streifen
Durchs tiefe, feuchte Thal
Und drehten sich im Reifen
Herum wohl tausendmal.

Und eh ich mich versehen,
Stand ich schon mitten drin;
Da ist es mir geschehen,
Daß ich so traurig bin.

Alsbald war ich umschlossen,
Von Armen weich und hold,
Alsbald war ich umflossen
Von Locken hell wie Gold;

Alsbald von Wunderaugen
Da ist das Herz mir wund;
Alsbald zwei Lippen saugen
Mein Leben aus meinem Mund.

Der Sinn war mir zerronnen
In Wonnebangigkeit;
Und wie ich mich besonnen,
Da war sie weit schon, weit.

Und bog noch in der Ferne
Den schlanken Hals zurück.
Wie blieb ich doch so gerne
Bei, dir, mein süßes Glück!

Und breiter schwoll und breiter
Zum Nebel ihr Gewand;
Das wogte weiter, weiter
Und weiter und verschwand.

Und jeden Abend kehrte
Die süße Fei zurück,
Und jeder Abend mehrte
Der Liebe süßes Glück.

Und wieder zogen Streifen
Durchs tiefe, feuchte Thal
Und drehten sich im Reifen
Herum wohl tausendmal.

Und eh ich mich versehen,
Stand ich schon wieder drin,
Da ist es mir geschehen,
Daß ich so traurig bin.

Sie sah mit trüben Blicken
Und sah mich traurig an;
Und drückte zum Ersticken,
So, wie sie nie gethan.

Ich konnte kaum noch sprechen:
Was drückst du mich so sehr?
Dein Herz will ich zerbrechen;
Du siehst mich nimmermehr.

Und preßte fest und fester
Ans Herz das liebe Herz:
Ade, du Liebster, Bester,
Du meine Lust, mein Schmerz.

Und fester noch umschlungen,
Gepreßt vom lieben Mund,
Da ist mein Herz zersprungen,
Zerbrochen wohl zur Stund!

Sie bog noch in der Ferne
Den schlanken Hals zurück.
O Mond! o lieben Sterne!
Nie kehrt mein einzig Glück.

Und breiter schwoll und breiter
Zum Nebel das Gewand;
So wogt es weiter, weiter -
O Sterne! und verschwand.

Collection: 
1891

More from Poet

  •   (Die erste Strophe aus einem Volksliede)

    O wie ists möglich dann,
    Daß ich dich lassen kann,
    Hab dich von Herzen lieb,
    Das glaube mir.
    Du hast das Herze mein
    So ganz genommen ein,
    Daß ich...

  •  
    O Lindenbaum, du treuer,
    Wie deine Blätter rauschen,
    Du alter, ewig neuer,
    Wie deine Blätter rauschen.
    Ach, Linde, grüne Linde,
    Wie schwankst du froh im Winde.
    Ich war wie du, o Linde -
    Sie...

  •   (1844)

    Ich ging im nächtgen Schweigen
    Dahin am Felsenhang;
    Es schien der Mond so eigen,
    Mir war so seltsam bang.

    Da zogen graue Streifen
    Durchs tiefe, feuchte Thal
    Und drehten sich im Reifen...

  •  
    Ich gehe umher in Träumen,
    Ich weiß nicht, wie mir ist.
    Dies Heben - dies Verlangen -
    Der Lenz hat mich geküßt!

    Ich bin ein kleines Vöglein,
    Das hoch herunter sieht
    Auf Wald und Strom und Berge...

  •  
    Gestern ruht ich an der Quelle,
    Lauschte ihrem Murmellauf,
    Sieh, da stieg aus klarer Welle
    Leis ein reizend Weib herauf.

    Mit den Lippen wie Korallen,
    Mit der Augen tiefem Blau,
    Kaum bedeckt von...