Zyklus II.

In Memoriam M. V.

I.
Als du zu mir kamst im nachlässigen Kleid
derbschädelige Bauernrasse,
da schienst du mir aus einer andern Klasse
und tatst mir leid:

Ich war die Gebende, als ich dir Liebe bot.
So trat zur Zeit
der Väter wohl ein Bettler an die Schwelle,
mit staubigem Gewand und Haar.
Man gab mitleidig ihm ein Brot.

Und erst als er zum Gehen sich gewandt
hat man im frommen Schreck erkannt
an seines Angesichts strahlender Helle -
daß es Gott selber war.

II.
Du schienst so alltagsgrau, so sonntagsbar.
Und nur die Stirn, die strahlend hell und breit
sich wölbte unter deinem glatten Haar,
verriet, daß in dir Sonntag war.

Die Stirn gemahnt an Heiligenlegende.
Sie war so ganz durchleuchtet und geweiht
und paßte nicht zu deinem Werktagskleid,
nicht zu der Schlichtheit deiner harten Hände.

III.
Wie durft ich wähnen, daß du einsam seist,
daß es an Freundschaft dir und Neigung fehle;
und habe später erst gesehn,
(als ich gelernt, dich zu verstehn)
daß dich ein Strom von Liebe hat gespeist,
daß kaum dir je begegnete ein Geist,
welcher sich nicht geneigt vor deiner Seele.

Der aber war das irdische Maß gering.
Sie gab und gab und blieb drum doch unendlich,
bis daß es endlich
an ihren Gott sich zu verschenken ging.

IV.
Ich habe dich am Schreibtisch nur gekannt,
in engen Gassen und beim Lampenschein.
Doch denk ich dein
so seh ich dich vor freien Weiten
am Ackerrand
hinter dem Pfluge schreiten!

Denn deine Hand
schickte zur ernsten, gottgeweihten
und harten Arbeit sich. Wie stand
deine Gestalt, als könne Kraft sie saugen
aus Heimatkrume.

Aber deine Augen
schienen zum Blick über weites Land
und in Gottes tiefen Himmel zu taugen.

V.
Dein Weg war steil, dein Kreuz war schwer,
doch du warst stark und ohne Bangen,
und sahst Fußstapfen vor dir her
von einem, der vorausgegangen.

VI.
Du bist ein Baum und deine Wurzeln gehn
Tief in die Heimatscholle. Nächtlich stehn
Sterne in deiner Zweige ernstem Ragen.
Du ankerst tief und gipfelst hoch:
Ich steh mit Schwanken;
wohin ich wachse, weiß ich kaum zu sagen.
Und doch, und doch,
sollte mich auch der Sturm zu Schanden wehn,
selbst dann nicht
dürfte an dir ich ranken -
ich kann nicht! (S. 37)

VII.
Du bist, wie die Gott benedeit,
zu welcher Christus sprach in alter Zeit:
Dein Glaube, Weib, ist groß.

Ich bin von jenen, die auch dann mißtrauten,
als sie mit eignen Augen plötzlich schauten
wie in der Wüste sich ein Quell ergoß -

VIII.
Die Krankheit saß dir damals schon im Blut,
gleich einem lauernd sprungbereiten Tier,
und hemmte deinen starken Lebensmut
und so kamst eines Abends du zu mir.

Und hast dich mählich erst in mir erkannt.
Wie ich die Augen dir entgegen hielt,
erschautest du auf ihrem Grund - dein Bild;
an deinem Bilde hast du dich ermannt.

Und daß du damals mich gewürdigt hast
auf deinem Kreuzweg, als der Mut dir sank
einen Moment zu stützen deine Last -
Hab Dank!

IX.
Ich hatte dich lieb, wie man Heilige liebt.
Und als du starbst, hab ich nächtelang
gerungen um deines Glaubens Licht,
des Glaubens, den es für mich nicht gibt.
Mir war so bang
verstoßen zu sein von deinem Gesicht
in Ewigkeit.
Konnt ich, so war ich gerne bereit
mir mit eigenen Händen
die Augen zu blenden,
hätte der Weg durch Blindheit und Nacht
zu dir mich gebracht.
Aber wenn morgens das Dunkel entwich -
war das Tageslicht dennoch stets stärker als ich -

X.
Wär mir die Gabe des Gebets verliehen,
du weißt,
ich würde dann zu deinen Füßen fliehn,
verklärter Geist.
Oft, wenn mich schon die Sehnsucht übermannt
und mir im Schoß
sich heimlich schon gefaltet Hand in Hand,
riß ich sie los.
Ich spür zu tief: dein Weg, er führt mich nie
zur Ruh,
und wahr will ich im Zweifel bleiben, wie
im Glauben du. (S. 41)

XI.
Du führtest den Pflug!

Und dein Acker war menschliche Brust.
Aber hast du denn nicht gewußt,
daß ich kein Feld war, das Früchte trug?

Du streutest den Samen.

Und siehe,
da kamen
rotroter Feldmohn und Rittersporn,
Frühlingsglocken und Winden.
Blumen, nur Blumen waren zu finden
ringsum kein Korn!

*
Immer noch bin ich am Weg zu dir
immer noch bin ich auf deiner Fährte,
die ich am Ende nun doch verlier.
Denn du gingest mit Geisterschritt.
Wie käme mein Fuß, der irdisch beschwerte,
käme mein strauchelnder Fuß da mit?

Collection: 
1978

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1.
Wenn Sonntagskinder das Flämmchen sehn,
ob Brunnen, Weihern und einsamen Schachten,
du siehst es auf menschlichen Stirnen stehn,
wo heimlich verborgene Schätze nachten.

2.
Du wandelst Stein zu Brot...

In Memoriam M. V.

I.
Als du zu mir kamst im nachlässigen Kleid
derbschädelige Bauernrasse,
da schienst du mir aus einer andern Klasse
und tatst mir leid:

Ich war die Gebende, als ich dir Liebe bot.
So...

Bin ich bei dem Geliebten zu Gast,
kam ich um auszuruhn,
schüttelt an seiner Tür die Last
mit dem Staub von den Schuhn.

Alles Sehnen und Wünschen schweigt
in der Erfüllung Maß,
daß ich, über sein Antlitz geneigt,...

Auch das leiseste Wort
streift von des heilgen Erleben
schüchternem Flügelbeben
etwas Schimmerstaub fort.

Daß es bei keinem Schlage
von seinem Reichtum verlier,
dulde, daß schweigend zu dir
mein Herz...

Ich wollt ich wär die Geige
unter deinem Kinn,
daß sich dein Antlitz neige
zu mir hin,

ganz ernst und unbewußt,
voll deines Glücks und Leides,
(Oh glaube mir, für beides
ist Raum in meiner Brust.)

...