Wir, Vater Schemseddin und seine Kinder

     Wir, Vater Schemseddin und seine Kinder,
Wir, Scheich Hafis und seine frommen Mönche,
Wir sind ein eignes, wunderliches Volk.
Von Gram gebeugt und ewiger Klage voll,
Ohn’ Unterlaß in unserem Trauerjoch
Des feuchten Auges heiße Perle streuend,
Und ewig hell und ewig heiter doch;
Der Kerze gleich hinschmelzend und vergehend,
Und doch, wie sie, in lichter Wonne lachend;
Gemordet allezeit von Wimperdolchen,
Von grausamen, die nur nach Blute dürsten,
Und just hierinnen unseres Seins gewiß;
Versunken in ein Meer von Schuld und Sünde,
Ganz unbekannt mit dem Gefühl der Reue,
Und fromm zugleich und frei von allem Argen,
Des Lichtes Söhne, nicht der Finsterniß,
Und so der Menge völlig unbegreiflich.
Denn diese kennt nur dreierlei Naturen,
Den Frömler erstlich, den Fanatiker,
Den finsteren, blödsinnigen Barbaren,
Den Wüstling ohne Geist und Herz sodann,
Den selbstischen, unedelen, gemeinen,
Den endlich in gewohnter Schranke dumpf
Beharrenden; für Leute so, wie wir,
Gebricht es ihr an Namen und Begriff.

Collection: 
1846

More from Poet

  •      Zur Wüste grimmig ausgebrannt
    Von heißer Buße Sonnenstich,
    War meines Seins verlorne Flur;
    Da stäubet’ ich, da wirbelt’ ich,
    Ein aufgewühlter Wüstensand,
    Hoch in die Luft getragen
    Vom Winde, zum Azur.
    Gott sei gelobt! Er hat mir
    Die...

  •      Zu der Rose, zu dem Weine komm!
    Her zu diesem stillen Haine komm!

         Mild zu stillen meiner Sehnsucht Ach,
    Denn es rührt ja selbst die Steine, komm!

         Hold zu hemmen meiner Zähre Bach,
    Die ich schon so lange weine, komm!

         Mir zu...

  • Wonach Hafis verlanget
         Nur er allein und Gott im Himmel weiß es;
    Denn ihm allein vertraut er
         Sein schwaches Herz, sein sündiges, sein heißes.

    Und nicht allein verzeihet
         Der Gütige, nein, schonet auch und schweiget;
    Nicht Menschen und...

  •      Wir zieren, ich und du,
    Den Himmel, den gestirnten,
    Der Liebe wunderbar:
    Du als der Mond, der volle,
    Stolzfreudige der Anmuth,
    Als thränende Plejaden
    Mein feuchtes Augenpaar.

  •      Wir, Vater Schemseddin und seine Kinder,
    Wir, Scheich Hafis und seine frommen Mönche,
    Wir sind ein eignes, wunderliches Volk.
    Von Gram gebeugt und ewiger Klage voll,
    Ohn’ Unterlaß in unserem Trauerjoch
    Des feuchten Auges heiße Perle streuend,
    Und...