Weserfahrt

Und mögen sie dichten und singen
Vom alten deutschen Rhein.
Mein Lied soll der Weser erklingen,
Soll ihr gewidmet sein!

Die Werra und Fulda, die beiden,
Die haben’s wohl erkannt,
Die wollen zusammen durchgleiten,
Vereint das Vaterland.

Die wollen treu halten zusammen
Mit einem Wort genannt,
Weil beid aus Germanien stammen,
Dem alten Vaterland! –

Im Land, das die Weser durchwallet,
Erklang einst Hermanns Wort,
Und Dröhnen der Schilde erschallet,
Schlachtruf tönt fort und fort.

„Wir wollen uns schützen und schirmen
Vor römischem Uebermut!
Wir wollen Aliso erstürmen,
Vernichten Römerbrut!

Hier halle den römischen Heeren
Ein trotzig deutsches: Halt!
Hier werden die Völker sich wehren,
Am Weserfluß und -Wald.

„Hier werden sie kämpfen und stehen
Für ihr germanisch Recht,
Und werden als Sieger sich sehen
Im heiligsten Gefecht!“ –

Cheruskas Fürst an der Spitze,
So ziehen sie in den Streit,
Vernichten wie rächende Blitze
Die römische Herrlichkeit.

Die Römer, die leicht überschritten,
Den breiten, stolzen Rhein,
Sind nicht an der Weser gelitten.
Die Weser kann befrein. –

So war es vor uralten Zeiten
Als solches hier geschah.
Und wieder gilt es zu streiten –,
Ist denn kein Hermann da?

Kein Hermann und keine Germanen
Zu Schutz und Trutz bewehrt,
Die heilige Freiheit der Ahnen
Zu wahren mit dem Schwert?

Die Werra und Fulda, die beiden,
Die haben’s wohl erkannt,
Die wollen zusammen durchgleiten
Vereint das Vaterland.

Die sind längst zusammen gezogen
Durch Deutschlands Au und Hain.
Es flüstern und murmeln die Wogen:
„Die Weser kann befrein!“

Und die an den Ufern es hören,
Vertrauen ihr sich an,
Und ziehen in traurigen Chören
Zu ihren Schiffen heran.

Und fliehen vom heimischen Lande,
Dem fremden sich zu weihn,
Und flüstern zum Meer noch vom Strande:
„Die Weser kann befrein!“

Leb wohl o germanische Erde,
Uns winkt Amerika – –
Sie rufen’s mit Trauergebärde – –
Ist denn kein Hermann da?

Kein Hermann und keine Germanen,
Daß Deutschland verzweifeln muß,
Verdienen die heiligen Ahnen
Nur einen Abschiedsgruß?

Und was aus uralten Zeiten
Die Weser noch erzählt –!
Ihr sollt es so falsch nicht deuten,
Daß Ihr Auswanderung wählt! –

Die Werra und Fulda, die beiden
Die haben’s wohl erkannt,
Die möchten vereint durchgleiten
Ein einig Vaterland.

Collection: 
1893

More from Poet

1. Caritas Pirkheimer.

Mit seinen Türmen, seinen stolzen Warten
Liegt Nürnberg vor des Wandrers Blicken da,
Der aus dem Forst „des Reiches Bienengarten,“
Sich einem Stadtgetrieb’ genüber sah,
In dem sich tausend Hände emsig regen,
Das Gute gut...

Zwei Fenster.

I.

Ein Fenster hinter blendenden Gardinen,
Das hoch und groß den Blick hinein verstattet;
Vom hellen Sonnenglanze ist’s beschienen,
Der an den blanken Scheiben nicht ermattet.

Umzogen ist’s von grünen Epheuranken,
Lorber...

1842.

Nicht sing ich jetzt von inn’rem Leid und Glücke,
Das einzig meiner Seele nur gehört –
Ich weise meines Schicksals Weh zurücke,
Vom Gramversinken bin ich aufgestört,
Der Gegenwart gilt’s ganz und gar zu leben,
All ihren Stürmen will ich...

Schon in der Jugend Morgentagen
Fühlt ich mich als ein Kind der Zeit
Und ihrem Hoffen, ihren Fragen
War stets mein Wort, mein Lied geweiht.

Mein ganzes Herz, mein ganzes Leben
War nur erfüllt von einem Ziel:
Mich an mein Volk dahin zu geben,
...

Zöblitz, im Mai 1853.

Ein Pfingsten kam – o welche Festesfeier!
Der schöne Mai im hellen Blütenkranz
Zerreist des Himmels düstern Wolkenschleier,
Und zeigte ihn in seinem blau’sten Glanz. –

Kann solche Wonne auch im Kerker wohnen?
Ist da auch...