VI.

VI.
Ich bin erwacht von wilden Träumen,
Du aber schlummerst sanft und mild.
Schon will ein Grau die Wolken säumen,
Doch schweigend liegt noch das Gefild.

Da ruht dein Leib! – In sanfte Wellen
Ist aufgelöst der Glieder Pracht,
Die freien Locken überquellen
Des Busens Glanz mit Wolkennacht.

Noch schmieget sich an deine Wangen
Ein lächelndes Erröthen an;
Denn wo ein Glück vorbeigegangen,
Da zeichnen Rosen seine Bahn.

Vom Himmel naht ein leises Rauschen,
Der Frühling wandelt durch die Welt;
Dein süßes Herz laß mich belauschen,
Das hat ein schön'rer Lenz geschwellt!

Schon drängt er seine Blüthenfülle
Auf dein erglühend Angesicht,
Und deiner Augen zarte Hülle
Durchbricht sein morgenhelles Licht. –

Blick' auf, mein Lieb! die Wolken prangen,
Horch auf! die jungen Stürme weh'n;
Dein blühend Herz halt' ich umfangen, -
O laß mich deine Augen seh'n!

Du schlägst sie auf und senkst sie wieder,
Der Morgen röthet das Gefild. -
So drückte an die heißen Glieder
Pygmalion sein Marmorbild!

Collection: 
1859

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