Verbotene Liebe

Die ich besaß, die ich besitzen können,
Erfüllten Alle mich mit Leid und Pein:
Dich werd' ich nie die Meine dürfen nennen,
So wirst wohl du mir Glück und Leben sein!
Die ewig sind geschieden, trifft kein Trennen,
Und immer reizt, was ewig fremd und rein:
Zwei Flammen seht ihr nebensammen brennen,
Zuzüngelnd sich mit doppelt hellem Schein.

2.
So wie der Mondschein auf der Welle zittert,
Erhellend und zugleich sie heimlich küssend,
So wie der Epheu sich um Lauben gittert,
Umblühend sie, und - um Geheimes wissend:
So trifft dein Blick mich scheinbar kalt
Und doch in süßer Liebeshuld zerfließend.
Ist's nicht der Göttin reizende Gestalt,
Die sich dem Träumenden nur wollte zeigen?
Gemach, gemach, mein Herz, und lerne schweigen,
Sonst flieht, Endymion! dein Segen bald.

3.
Wer vergäße nicht so Vieles,
Wenn er bei dir ist,
Und im Jubel des Gefühles
Deine Lippe küßt,
Wo im Taumel holden Spieles
Rings die Welt zerfließt,
Und du jeden holden Zieles
Inbegriff ihm bist.

4.
Einmal geseh'n nach langer Zeit,
Herz, lerne dich begnügen,
Und schlürf' des Anblicks Seligkeit
In langen, langen Zügen.
O Glück, du wollest nur mit Qual
Die Sehnsucht mir belügen,
Und bietest nun mit einemmal
Mir stille Freuden ohne Zahl
Und namenlos Vergnügen.

5.
O wie ich, Welt, dich jetzo lieben muß,
Seit dich in ihr und sie in dir ich fand!
Mein Herz von seinem Liebesüberfluß
Zahlt dir ein Baares auf die leere Hand,
Die Hand, die ewig drohend mit Verdruß,
Von Wunden mir gerissen den Verband.
Jetzt schließe sie, zieh ein, nimm meinen Gruß,
Nichts gibt es zwischen uns mehr auszumachen:
Der Fährmann hat nun seinen Obolus,
Gönn' mir ein Plätzchen in dem Liebesnachen.

6.
Kennst du vom Hermelin die schöne Sage,
Das lieber stirbt, eh' es sein reines Vließ
Von bösen Händen sich besudeln ließ?
Geliebtes Wesen, trage sie, o trage
Im Herzen als ein Wort für deine Tage.
Wie ist der innre Friede gar so süß;
Wie schön, daß einst an deinem Sarkofage
Ein treues Herz mit leisen Thränen klage:
Der Liebe reines Hermelin war dieß!

7.
Jedes süße Wort von dir
Ist ein Raub;
Jedem Liebesflehn von mir
Bist du taub;
Dennoch oft gewährst du mild,
Was kein Bitten vorgebracht,
Und erhörest lieberfüllt,
Was ich leise kaum gedacht.

8.
Als ich dich sah zum erstenmal,
War mir, als sah ich dich schon oft;
Du warst mir wie der Maienstrahl,
Auf den das Herz schon lange hofft
Und den es doch schon lange kennt,
Weil es ihn den Geliebten nennt:
Das kommt, weil schöne Frauen, Kind,
Dem Lenz so nah' verschwistert sind.

9.
Ein Glück, daß Niemand deinen süßen Lippen
Es ansieht, wen beglückt ihr heißer Kuß;
Ein Glück, daß man, um Seligkeit zu nippen,
Nicht bei der Welt Erlaubniß betteln muß;
Ein Glück, daß Herzen mit dem ersten Schlage
Sich ganz verstehn, wenn sie einander lieb:
Ein Unglück, daß dem Zauber jener Tage
Ein allzutreu Gedächtniß mir verblieb!

10.
Ein Talisman ruht deine weiche Locke
Auf meinem Herzen zaubervoll,
Erinnernd, wie die Welt es auch verlocke,
Wen es für ewig lieben soll.
Nicht schönern Grabstein hat ein Herz gefunden,
Als dieses blonde Lockenmonument,
Das mit dem ganzen Himmel mich verbunden,
Und liebreich von der Erde mich getrennt.

11.
O  nennt mich eitel nicht, weil ich mein Loos,
Als wär' es des Verdienstes Krone, male:
O nein, unwürdig wohl, und glücklich blos,
Sonn' ich mich in dem reichsten Liebestrahle. -
Doch ist mein Glück so überschwenglich groß,
Daß ich, wenn ich nur etwas euch verriethe,
Leicht in den Schein der Eitelkeit geriethe, -
Indeß so reich ist meines Segens Masse,
Daß ich sie selber noch nicht ganz erfasse.

12.
Und doch, wie sich die allerhöchste Lust
Mit Unglück kann verschwistern und verbinden,
Deß werd' ich durch mein Schicksal mir bewußt.
O sieh, die Rose blüht an deiner Brust,
Beglückt, so schöne Stelle sich zu finden:
Doch harre nur, wie bald ihr Loos sich wendet!
Sie zahlt dieß Glück mit ihres Lebens Schatze.
Schön ist der Ort fürwahr, an dem sie endet,
Und dennoch war sie nicht an ihrem Platze.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer

Collection: 
1838

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