Aus einer Liebesgeschichte

Wenn ich so mit der Feder niedersitze,
Um aufzuzeichnen, wie es sich ergeben,
Daß deines Auges zaubervolle Blitze
Zur Liebesglut entflammen all mein Leben:
O süßes Kind!
Wie manche Thräne rinnt
Dann als ein Opfer der Erinn'rung nieder,
Und muß dem Glanze spiegelglatter Lieder
Sich wie ein trüber Hauch verweben.

Es war im Tanz; da schwebtest du, beseelet
Von tausend Reizen, reich- und wunderbaren,
Es war, als ob die Schönheit dich erwählet,
Um sich in deinem Bild zu offenbaren:
In deinem Bild,
Das wunderlieb und mild,
Ein Conterfei der Göttin war zu schauen,
Zu dem, sich zu entzücken und erbauen,
Begeistert pilgerten die Schaaren.

Das blaue Auge sah so innig nieder,
Das Haupt umkränzte weich die blonde Locke,
Geschaffen war das Ebenmaaß der Glieder,
Daß Jedem es ein Sehnsucht-Ach! entlocke;
Der Mund, ein Thron
Für Venus süßen Sohn,
Er schien, geschlossen, Schönes zu verschweigen,
Und knospte manchmal auf, um sich zu zeigen
Als der Empfindung reine Glocke.

Und näher zog's mich stets in deine Kreise,
So wie die Mücke sich im Glanze spiegelt;
Auf sah ich zu dir, sprach und bebte leise, -
Wir schwebten durch den Saal musikbeflügelt.
Und diese Hand,
Die da mich fremd umwand,
Und diese Lippen, damals still verlegen,
Sie hatten bald - o wunderbarer Segen! -
Der Liebe Bündniß mir besiegelt.

O diese Hand, worauf der Schnee gefallen
Und milde Rosennebel süß zerflossen,
Was hätte sie, die herrlichste von allen,
Für Paradiese meinem Blick erschlossen!
Was hätte sie
Mit ihres Druckes Poesie,
Von dieser Lippen heil'gem Ja begleitet,
Für Seligkeiten meiner Brust bereitet,
Für Zauber über mich ergossen!

Still jubelnd sog ich rasch das Glück der Jahre
Wie Rosenduft des milden Augenblickes,
War doch der Himmel stets, der blaue, klare,
Mir aufgethan und voll des schönsten Glückes!
Kuß flog um Kuß
Im sel'gen Ueberfluß:
Wer mochte da noch denken und beachten,
Daß sich die Himmelsfernen trüb umnachten
Mit Wetterwolken des Geschickes.

Wer mochte da noch grübeln, wo die Stunde
Mit allen Freudezaubern ihn umsponnen?
Wo, wie aus eines Füllhorns reichem Munde,
Sich ewig niedersenkten neue Wonnen.
O süße Zeit!
Wo Liebesseligkeit
All ihren Glanz und ihre Strahlenspenden
An dieses Herz gewürdigt zu verschwenden,
Um dieses Leben zu durchsonnen.

Da kam das Mißgeschick, der böse Riese,
Still lauernd in des Lebens Dämmerungen,
Und stieß mich wild aus meinem Paradiese,
Von keiner Wuth, von keinem Fleh'n bezwungen;
Hinaus, hinaus
In Nacht und trüben Graus:
Da harr' ich eines Gottes, der mich rettet,
Wie ein Prometheus schmerzlich angekettet
Am Felsen der Erinnerungen.

Einzelner Fall

Die Nacht war schwarz, wie im Gesicht ein Mohr,
Draus sah der Mond, im Aug' das Weiße, vor,
Und Sturm und Blitz in wildbewegtem Drange
War Fackelträger mir auf meinem Gange.
Rings die Narzissen an des Gartens Weiher,
Kopfschüttelnd schienen sie mir nachzusehn,
Die Lilie schien mit ihrem weißen Schleier
Ein Angstbewegtes "Nein" mir zuzuwehn:
Mich aber trieb der Sinne wildes Feuer
Noch spät zu meinem Liebchen hinzugehn.

Und als ich fort am andern Morgen ging,
Der Sturm in Wolken nur am Himmel hing;
So wie das Meer, ausruhend vom Orkane,
Geborstne Trümmer zeigt auf seinem Plane;
So wie ein Rasender, der ausgeflucht,
Und nun in Thränen seinen Frieden sucht.
Still war der Garten; seine grüne Fahne,
Der Baum weht stumm in eine öde Bucht.
Ich weiß nicht, was verdüstert die Narzissen,
Sie wandten schamverwirrt sich von mir ab;
Der Lilie weißer Schleier war zerrissen,
Sie sah geknickt vom Stiele in ihr Grab.

Das End' vom Liede

Sie war ein Bild - es läßt sich nicht beschreiben,
Wie sie der Schönheit milder Glanz umfloß,
Wie sich der Anmuth wunderbares Treiben,
Ein Himmel, um die Engelseele goß;
Sanft überdunkelte die schöne Miene
Der Frohsinn mit des Lächelns holdem Sieg',
Indeß der Lippen glühendem Rubine
Der milde Zauber, Melodie, entstieg.

Stillleuchtend lag das Diadem der Würde
Auf ihrem süßen Haupt in vollem Glanz,
Es war als ob der Himmel ihr zur Zierde
Sich aller Schönheit nun entvölkert ganz;
Der Seele Frieden - wär' er ihr geblieben! -
Er strahlte klar aus ihrem Angesicht,
Und nur die stille Fähigkeit zu lieben
Wob ein geheimes Räthsel in dieß Licht.

Ein Räthsel, das in Jammer aufzulösen
Das Unglück zum Oedipos mich gereift; -
Erloschen ist mein Aug', seit ich's gewesen,
Der dieß Geheimniß grausam abgestreift;
Vertrocknet dieses Herz, seit des Geschickes
Abgründe gähnend ich eröffnet sah:
Hinunter schaut' ich, - und die Sphinx des Glückes,
Ach, sie lag leblos und zerschmettert da.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer

Collection: 
1838

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