Venus Primitiva

O daß der Kuß doch ewig dauern möchte,
– starr stand, wie Binsen starr, der Schwarm der Gäste;
der Kuß doch ewig, den ich auf die Rechte,
tanztaumelnd dir auf Hals und Brüste preßte!

Nein, länger duld’ich nicht dies leere Sehnen,
ich will nicht länger in verzücktem Harme
die liebekranken Glieder Nächtens dehnen;
„O komm, du Weib!“ entbreit’ich meine Arme ...

Oh komm! noch fühlt dich zitternd jeder Sinn,
vom heißen Duft berauscht aus deinem Kleide,
fühlt wogend glühn, du Flammenkönigin,
im Aschenflor um dich die Kupferseide.

Gieß aus in mich die Schale deiner Glut!
ich dürste nach der Sünde: nach dem Grauen
vor dieses Feuerregens wilder Brut,
vor diesen Weh’n, die wühlend in mir brauen.

Es schießt die Saat aus ihrem dunklen Schooß,
die lange schmachtend lag in spröder Hülle;
ich will mich lauter blühn, lauter und los
aus meiner dumpfen Brunst zu Frucht und Fülle!

Satt werden will ich meiner scheuen Lust:
oh komm, du Weib! nimm auf in deine Schale
die Furcht, die Sehnsucht dieser jungen Brust;
noch trank ich nie den Rausch eurer Pokale ...

Auf Nelkendüften kommt die Nacht gezogen,
o kämst auch Du so süß und so verstohlen:
so mondesweiß dich in die Sammetwogen,
den Purpurflaum der schwärzlichen Violen,

die ich dir streun will, an mich her zu betten,
daß alle meine Mächte an des Weibes
enthüllten Göttlichkeiten sich entketten,
versink’ich – in den Teppich – deines – Leibes!

Collection: 
1893

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