Um ein festes Herz

Mein Gott, ich richte meine Bitte
Mit heißem Flehen himmelwärts:
Gieb meinem Wandel feste Tritte,
Ja, mache fest mein ganzes Herz!

Nicht wild, bald hier, bald dorthin schwankend,
Gleich als ein Rohr, vom Wind bewegt,
Nein, als ein Felsen, nimmer wankend,
Ob hoch hinauf die Welle schlägt.

Doch nicht, wie jene schlanke Fichte,
Die stolz empor die Krone hebt;
Ihr Jugendschmuck wird bald zunichte
Wenn ihr der Sturm das Herz durchbebt;

Ob sie noch heute fest nach oben
Den starken, dunkeln Wipfel trägt,
Die scharfe Axt ist schon erhoben
Die ihr das stolze Haupt zerschlägt.

Wie sich die grüne Epheuranke,
Die ohne Stütze schwankt und fällt,
Daß sie im Sturme nicht erkranke,
Fest an den Stamm der Eiche hält:

So wollst Du meine Triebe winden
Am Kreuzesstamm zu Dir hinauf,
Dann werd' ich Kraft und Stärke finden,
Ein festes Herz und sichern Lauf.

aus: [Anna Karbe] Immergrün
Lieder einer früh Heimgegangenen
Mit einem Vorworte von Emil Frommel
Berlin Verlag von Wiegandt & Grieben [1876]

Collection: 
1876

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