Was quälst du mich? - Ich hab' dich oft gesehn
Im Sonntagsheimweh meiner Träumerstunden.
Sag, wer du bist! Laß uns zusammen gehn!
Mich bangt nach dir - ich hab' dich nie gefunden.
Lehnst du verträumt, ein blasses Fürstenkind,
Am Bogenfenster, wenn um trotz'ge Mauern
Die Dämmrung schwebt und schwül im Abendwind
Tief unter dir verstörte Gärten schauern?
Geht in Gemächern, prunkvoll und verstaubt,
Der Mondstrahl scheu um dunkle Ahnenbilder?
Verkreuzten sich auch über deinem Haupt
Schon hochzeitlich zwei stolze Wappenschilder?
Irrst du verweint, wenn längst der Tag entschwand,
Im dünnen Rock, von Gott und Welt verlassen,
Ein Bettlerkind mit ausgestreckter Hand
Ohn' Haus und Heim durch dunkle Großstadtgassen?
Stöhnt nicht dein Herz einst wild in Durst und Drang,
Wenn hell vor dir gefüllte Gläser blinken,
Und wirst du nie, gequält und sorgenkrank,
Um Gut und Gold in Schmach und Schande sinken?
Wer kündet mir, wo ich dich suchen muß?
Wo geht dein Pfad? Wirst du mich gleich erkennen?
Und wird einst doch mein sehnsuchtscheuer Kuß
Auf deine Lippen roter Wölbung brennen?
Ich weiß es nicht! - Doch glaub' mir, fremdes Kind,
Einst treff' ich dich, wenn nach verschmerztem Leben
Stilläugig wir weit über Welt und Wind
Im Heimwegzug nach fernen Höhen schweben.
aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger