Traumengel

Heut hat Traumkönigin die lichten
Traumenglein in die Nacht geschickt,
Die wissen Träume zu erdichten,
Vom Baum der Wünsche abgepflückt.

Nun flattern sie durch alle Gassen.
"Wo fliegst du hin?" - "Zu einem Kind."
"Und du?" - "Ich darf mich niederlassen,
Wo ich ein willig Ohr mir find'!"

Husch hier, husch dort! An tausend Ohren
Erklingt der holde, süße Trug.
Ein Engel nur fliegt noch verloren,
Ihm scheint kein Schläfer wert genug.

Da, wie er durch den Mondschein gleitet,
Bannt ihn an einem Giebelhaus
Ein dunkles Fenster. Weh, da breitet
Ein andrer schon die Flügel aus.

"Laß mich hier meinen Träumer finden!"
Doch Amor lacht: "Den schirme ich!
Dem mußt du keine Märchen künden!
Er liebt! Der träumt auch ohne dich!"

aus: Hugo Salus Die Blumenschale Gedichte
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1908

Collection: 
1900

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