An Thalestris/ als er von ihr Abschied nahme

Ein treuer Knecht erkühnet sich zu letzt/
Dir schönstes Kind das Blat zu überreichen.
Du hast mich ja der Gnade werth geschätzt/
Dein schönes Hertz durch Seufftzer zu erweichen;
Drum gönne doch ein gnädig Angesicht
Der letzten Pflicht.

Es grünet jetzt der Blumen Lust-Revier/
Wie lachen nicht die bunt bemahlten Auen?
Nur meine Lust/ ja meine schönste Zier
Läst mir der Tod auff seiner Bahre schauen/
Und dieses ist/ was den geqvälten Geist
Fast sterben heist.

Man stösset mich aus meinen Paradieß/
Und habe nichts verbothnes angerühret:
Das Engels-Kind/ das mich erst kommen hieß/
Ist auch allein/ das mir den Schmertz gebühret.
Ach daß ich doch nur in die Wüsteney
Verstossen sey.

Ich werde nun mein allzuherbes Leyd
In steter Traur mit matter Stimme lallen/
Doch denck' ich nur an deine Lieblichkeit/
Und an den Mund von tausend Nachtigallen/
So schweig' ich still/ und seufftze nur bey mir
Allein nach dir.

Ach öffne denn die Schwanen-weisse Brust/
Und laß' es hier gewünschte Ruhe finden.
Vergönne mir zum Troste diese Lust/
Daß ich mich kan in deinen Hertzen gründen/
So hab' ich doch die gröste Qvaal besiegt
Und bin vergnügt.

So lebe denn zu tausend mahl beglückt/
Geniesse stets der höchst-erwünschten Freuden.
Dein Knecht der sich zu deinen Füssen bückt/
Muß nun von dir und dem Vergnügen scheiden:
Mein Freuden-Stern/ und du mein Anderich
Verbergen sich.

Ich bleibe dir/ Annehmlichste der Welt!
Vor alle Gunst in Ewigkeit verbunden/
Dein' Anmuths-Pracht/ der mich gefangen hält/
Hat mich durchs Garn der Dienstbarkeit ümwunden/
Die Sonne muß/ die ich bey dir gesehn/
Stets mit mir gehn.

Ach Weissenfels! du höchst-beliebter Ort!
Talestris Ach! du allerliebste Seele!
Das Schicksal rufft mich nun nach Jena fort/
Drüm ruff auch noch aus deiner Purpur-Höle
Das letzte Wort/ das meine Schmertzen macht/
Zu guter Nacht.

Collection: 
1702

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