Sie liebet ihn wieder

Mein Glücke will mich freundlich küssen/
Und Wermuth gleichen Schmertz durch Nectar-Wein versüssen/
Der Himmel rinnt von Perlen-Thau/
Er öfnet meiner Brust den Uberfluß von Schätzen/
Und wil die Seel auf keinen Bau/
Von irdischer Vergnügung setzen.

Ich weiß mit Noht und Leid zu schertzen.
Es brennen nun in mir wohl tausend Freuden-Kertzen.
Ich geh' auf einer Rosen-Bahn.
Nach schwartzer Nacht muß mir die Sonne klärer scheinen/
Der süsse Morgen bricht nun an/
Und Lachen folget nach dem Weinen.

Kein Centner kan die Schmertzen wiegen/
Die erst auf meiner Brust durch Zweifel musten liegen/
Nun fliehen sie wie Staub in Wind:
Daß machet/ deine Hand kan lindern und auch drücken/
Und wie der Treue Wercke sind/
Nach der Erkentniß auch erquicken.

Und darff ich mir gleich nicht versprechen/
Mein Glücke werde nun die Knospen gäntzlich brechen/
Vielleicht daß es doch bald geschieht.
Dem Maulbeer-Baum ist oft die Freude zu vergleichen/
Daß beydes nur am letzten blüht/
Um auch zu erst die Frucht zu reichen.

Daß ich dir stets getreu gewesen/
Kanst du aus der Gedult in Marter Wochen lesen/
Drum gönne mir dein Freuden-Fest/
Und lasse mir geneigt nach Sturm und Jammer-Winden/
Auch deinen süssen Gnaden-West/
Und meiner Sehnsucht Uffer finden.

Mein Engel nimm auf Brust und Wangen
Nun meinen keuschen Kuß und brennendes Verlangen/
Ich will dein treuer Paris seyn/
Weil du der Helena in allen zu vergleichen/
Drum lasse mir zum Hafen ein
Die Seegel reiner Liebe streichen.

Collection: 
1702

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