An Selimenen

Erzürne nicht darob/ Annehmlichste der Zeit!
Daß mein getreue Sinn sich stets an dir ergötzet.
Und deiner schönen Pracht ein ewig Denckmahl setzet
Die Unschuld labet sich an deiner Lieblichkeit
Denn da der Mund sich nicht darff selbst gelücklich wisen/
So gönne daß ich dich im Geiste möge küssen.

Ein unbefleckter Kuß ist auch bey Göttern rein;
Du weist/ das meinen Trieb die Keuschheit selbst erreget/
Und daß die reinste Gluth mich dir zum Füssen leget/
Und dennoch will dein Hertz von Stahl und Eisen seyn:
Ach dencke nur/ was selbst dem Himmel muß belieben/
Wird einem Engel auch zur Regel vorgeschrieben.

Ich hatte nicht so bald das unverhoffte Glück/
Dich unvergleichliche zum ersten Mahl zu sehen/
So muste gleich das Hertz bey sich erfreut gestehen/
Hier zeiget die Natur ihr rechtes Meister-Stück:
Denn wer bewundert nicht die seltne Schönheits gaben/
Wenn sich die Tugenden damit verschwistert haben.

Man nennet dich mit Recht die Blume dieser Stadt
Auf welche sich der Schnee der Lilien geleget/
Und wo die Rose selbst den Purpur eingepräget/
Die Venus sich allein zur Lust gepflantzet hat:
Die Blumen bricht man sonst/ doch diese muß ich meiden/
Mein Auge soll sich nur an ihrer Schönheit weiden.

Denn das Verhängniß will/ daß mich die schöne Gluth
Noch nicht vergnügen soll und in die Augen steigen/
Sie würde sich sonst bald in tausend Flammen zeigen/
Denn nur ein Strahl von dir entzündet Geist und Blut:
Wen nun so lange Zeit zwey schöne Sonnen brennen/
Wird sich gewißlich nicht von Feuer frey bekennen.

Du weist/ das meine Brust von keinen Marmor ist/
Obgleich dein strenger Sinn sich Diamanten gleichet;
Jedoch ein harter Stein wird endlich auch erweichet/
Wer weiß/ was vor ein Glück mir meine Qvaal versüst.
Mein Geist ist doch vergnügt/ ob er die Fesseln träget/
Weil die Galanteste sie ihm hat angeleget.

Erlaube mir demnach vollkomne Meisterin/
Daß die getreue Brust dir einen Tempel bauet/
Wo man dein schönes Bild allzeit verewigt schauet/
Das Hertze leget sich zu einen Opffer hin.
Verachte nicht/ mein Kind die allerreinsten Flammen/
Der Himmel selbsten kan die Regung nicht verdammen.

Spricht gleich dein schöner Mund von keiner Rettung nicht/
So will ich doch allzeit auff was geneigters hoffen/
Ich küsse diesen Strahl der mich zu erst getroffen/
Weil mir der Himmel selbst von diesen Troste spricht:
Es muß die gantze Welt gerecht und billig nennen;
Wer andre brennt/ der soll zur Straffe wieder brennen.

Collection: 
1702

More from Poet

  • Der Schönheit Meisterstück/ verliebter Eigensinn
    Sucht' ihren Uberdruß im Schlaffe zu versüssen/
    Sie striche Quaal und Schmertz des treuen Damons hin/
    Um lieber gar den Tod als seinen Mund zu küssen.
    Die Sinnen schlossen sich mit ihren Augen...

  • Wilst du nun galantes Kind!
    Diesen schönen Ort verlassen?
    Und die dir ergeben sind/
    Sollen ihn deswegen hassen?
    Denn man liebet nur die Auen/
    Wo der Blumen-Zierath steht/
    Wer wil sich vergnüget schauen/
    ...

  • Bewundere dich nicht/ du Schöne/ - - -
    Daß eine frembde Hand dir was bekantes schreibet/
    Und daß ich auch ein Knecht der süssen Herrschafft bin/
    Die dein beliebter Mund mit lauter Hertzen treibet.
    Der Stimme Lieblichkeit bezaubert meinen...

  • Ach ungemeine Lust recht treu-gesinnter Seelen/
    Weil ihr Vergnügen bloß in reiner Liebe ruht!
    Wo weder Zeit noch Glück durch die Entfernung qvälen/
    Weil Schertz und Gegenwart stets schön im Geiste thut.
    Ach aber bittrer Schmertz! dem Gall...

  • Beliebtes Lindenfeld! ich soll dir dienstbar seyn/
    Dieweil dir meine Brust so manchen Seufftzer schencket/
    Du fällst mir schöner Ort/ vor allen andern ein/
    So offt nur mein Gemüth an was galantes dencket.
    Doch dieses alles ist nur der...