• Über dein Angesicht
    Wechselt Wolkenschatten und Sonnenlicht,
    Auf deinem Angesicht ist immer Wind.
    Ich blicke dich an; mir ist, ich liege
    Auf einer Wiese und schmiege
    Mich tief ins heiße Grün.
    Gras hängt auf mich; die Wicken blühn,
    Um mich rinnt
    Wind.

    ...

  • Du leibhaftes Stücklein Welt,
    Das mein pressender Arm selig umschlossen hält, -

    Was sonst auf der Welt ist mein?
    Ich trage heim eine Handvoll Ackerkrume,
    Sie zerfällt,
    Im Glase verwelkt mir die Blume,
    Tot ist ein Stück Gestein.

    Du aber blühst Leben.
    Blut singt durch...

  • Und sie naht und neigt sich leicht über mich,
    Und wie Wind stäubt im Mittag am funkelnden Schnee der Firne,
    - Licht scheint um mich, -
    Küßt sie mich leis auf die Stirne.

    Aus: Ernst Lissauer Der Strom
    Gedichte / Balladen / Gesänge
    Verlegt bei Eugen...

  • Ich dachte heut mit Lust und Kraft an dich
    Und wünschte stark: durch Mauern und geschlossne Türen
    Soll sie Gewalt von meiner Liebe spüren.

    Ich saß, geballt die Hand; ich sah, ich fühlte dich.
    Da tratst du ein:
    "Mir war, du riefest mich."

    Aus:...

  • O Angesicht, von Seele ganz getränkt!
    Wie ist in allen Fäserchen und Poren
    Gefühl und Körper inniglich gemengt,
    An dieses Antlitz bin ich ganz verloren.
    An dieses Antlitz bin ich ganz gebunden,
    Inbrünstig sauge ich mit vielen Munden.
    Unausschöpfbar in mich fließt heiße Seele,
    Ich spür' sie leibhaft in...

  • Wer ward mir angetraut?
    An Ofen, Sofa, Eßtischecke,
    Als hätt' es blanken Tag getropft,
    Schimmern fingerzierliche Sonnenflecke.
    Ob es auch friert,
    An der Fensterscheibe der Schnee zertaut,
    Leinen glänzt seiden, wenn sie es stopft,
    Die Stühle sind mit Licht bordeliert.

    ...

  • Wie ein Hirt den weingefüllten irdenen Topf,
    Nehm' ich dein großes Frauenhaupt vor meinen Kopf.
    Breit leg' ich meine beiden Hände
    Um seine festen, weichen Wangenwände.
    Heiß in mein Blut belebend rinnt belebter Saft.
    O unerschöpflich trünkereicher Krug!
    Ich sauge aus dir stärkend immer frisches Glück.
    Nun...

  • Wie eine Dryas im Baum
    Wohnt dir die Stimme im kräftigen Hals versteckt,
    Schlafend klanglosen Traum.

    Leg' ich an den weißen Stamm das Ohr,
    Fährt sie vom Schlummer empor geweckt -,
    Rufen erschreckt
    Sich die Dryaden jauchzend im Rund?
    Gekitzelt vom stoppligen Mannsfaunmund,
    Schallt...

  • Wie eine Kugelakazie
    Rund, fein, licht,
    Guten Tag, Anmut, guten Tag, Grazie,
    Ist dein süßes Angesicht.

    Aus: Ernst Lissauer Der inwendige Weg Neue Gedichte
    Verlegt bei Eugen Diederichs Jena 1920
    (S. 21)
    ...

  • Aufs Buch gebeugt mein Angesicht,
    Mit meinen Augen seh' ich dich nicht,
    Ich sehe dich nicht mit Blicken.

    Deine Wimper blinkt, dein Lid zuckt fein,
    Du atmest aus, du atmest ein,
    Ich spüre es mit Entzücken.

    Aus: Ernst Lissauer Der inwendige...