• Erstark’, o Liebe! möge man nicht sagen,
    Daß stumpfer dein Begehr als Eßlust sei,
    Die schmausend heut’ sich sättigt mit Behagen,
    Gekräftigt morgen zum Genuss’ auf’s Neu’.
    5 So Liebe du, wenn heute auch du füllst
    Dein hungernd Aug’, bis übersatt es winket,
    Du morgen wiedersiehst, nicht tödtend stillst
    Der Liebe Geist, daß träg’ und matt er sinket...

  • Dein Sklave bin ich, sollt’ ich Andres streben,
    Als willig stets vollziehen dein Begehr?
    Kostbare Zeit nicht hab’ ich zu vergeben,
    Noch Dienste, da allein ich dir gehör’!
    5 Nicht darf ich schmäh’n die langen Marterstunden,
    Die ich, mein Herr, so oft für dich durchwacht,
    Dein Fortsein hab’ ich wen’ger schwer empfunden,
    Hast Abschiedsgruß dem...

  • Verhüte Gott, daß ich, dein Sklave, wollte
    Sie zählen, deiner Lust geweihte Stunden,
    Daß ich die Zeit dir je berechnen sollte,
    Die als Vasall mich deinem Dienst verbunden.
    5 O laß mich tragen, so es dir gefällt,
    Entfernung von dir, dem Gefangnen gleich;
    Die Unbill sei zur Rede nie gestellt,
    Die meiner Knechtsgeduld du bietest reich.
    Sei,...

  • Wie Wellen hin zum kies’gen Ufer rauschen,
    So eilen unsre Tage rasch zum Ziel;
    Im Wechsel müssen sie die Stellen tauschen,
    Sie dringen vorwärts stets in bunt Gewühl.
    5 Wenn die Geburt begrüßt des Lebens Licht,
    Zur Reife kriecht sie dann, die, kaum gewährt,
    Als hämisch Dunkel ihren Ruhm anficht.
    Der Zeit Geschenk wird von der Zeit zerstört;...

  • Gebeutst du deinem Bild, wach zu erhalten
    Mein müdes Auge in der dunkeln Nacht?
    Ist es dein Wille, daß in Traumgestalten
    Dein Antlitz neckend mir entgegenlacht?
    5 Ist es dein Geist, den du von dir entsandt
    Von ferne her, mein Treiben zu erspäh’n?
    Hat deine Eifersucht dich hergebannt,
    Um mich beschämt in leerem Thun zu seh’n? –
    Nein, deine...

  • Der Selbstsucht Sünde hält mein Aug’ umfangen,
    Beherrschet meinen Geist, mein ganzes Sein,
    Nicht Gegenmittel weiß ich zu erlangen,
    Da tief die Sünd’ im Herzen wurzelt ein.
    5 Kein Antlitz dünkt so hold mich als das meine,
    Kein Wesen zeiget so der Wahrheit Zier;
    Den eignen Werth bestimm’ ich mir alleine,
    Es kann kein Werth vergleichen sich mit mir...

  • Wenn meinen Theuren einst, wie mir geschieht,
    Der Zeit Unbill zerstörend wird erfassen,
    Sein Blut aussaugt und seine Stirn durchzieht
    Mit schnöden Furchen; wenn einst wird erblassen
    5 Sein Jugendmorgen unter Altersmüh’n;
    Wenn Reize, denen er, ein Fürst, befohlen,
    Dem Anblick schwindend, hingewelkt verblüh’n,
    Und seines Frühlings Schatz ihm...

  • Wenn durch der Zeiten grimme Hand entstellt,
    Ich seh’ Jahrhunderts stolze Pracht im Staube,
    Der Zinne mächt’ge Wucht zur Erd’ gefällt,
    Und ew’ges Erz der Menschenwuth zum Raube;
    5 Gewahr’ des gier’gen Oceans Gewinn,
    Den er des Ufers Königreich entrungen;
    Wie sich das Feste nahm die Meere hin,
    Verlierend stets Ergänzung sich erzwungen;
    Daß...

  • Was Aeußres kann die Menge von dir seh’n,
    Kein Witz wird je zu bessern dran wohl finden;
    Beseelt muß aller Mund dies eingesteh’n,
    Dein Feind selbst wird als wahr dein Lob verkünden.
    5 So krönet Aeußres dich mit äußrem Preis;
    Doch diese Zeugen, die dein Recht dir gaben,
    Sie schmälern dies Lob in andrer Rede Weis’,
    Da weiter als ihr Aug’ gespürt...

  • Wenn Erz, Stein, Erde, unbegrenzte Fluth
    Nicht trotzen kann der trüben Sterblichkeit,
    Kann Schönheit bergen sich vor solcher Wuth,
    Die keine Blum’ an Kräften überbeut?
    5 Was soll des Sommers süßen Hauch beschützen,
    Wenn heranbraus’t die rauhe Sturmesnacht,
    Da schwächer selbst des Felsens mächt’ge Stützen
    Und eh’rne Pforten als der Zeiten Macht?...