Schweig und sei lieb!

Als du, mein Held, zum ersten Male mir
Im lichterfüllten Saal entgegentratest
Und lächelnd, fast mit kindlichem Gezier,
Um einen Walzer mich verlegen batest,
Weißt du, was in des Morgens Dämmerstunden,
Eh’ dich mein Traum von neuem mir verbunden
Ich in mein Tagebuch errötend schrieb? –

          Schweig und sei lieb!

Und als du gestern mir mit raschen Schritten
Nachjagtest – zum Befehl ward mir dein Ruf;
Als Kind hätt’ ich ihn nie so streng gelitten,
Da stets nur Trotz er mir im Herzen schuf –
Ahnst du, weshalb in fieberheißem Beben,
Weshalb ich rettungslos dir preisgegeben,
Weshalb ich stracks wie angekettet blieb? –

          Schweig und sei lieb!

Von Wahnsinnsstürmen ward mein Sinn umhallt,
Mein Stolz erstarb, der sonst so siegesfrohe …
Begreifst du die dämonische Gewalt,
Mein Held? Begreifst du, welch’ empörte Lohe,
Daß sie nicht sengend Herz und Hirn verzehre,
Mich dir mein Glück, mein Leben, meine Ehre,
Mich dir mein Alles hinzugeben trieb? –

          Schweig und sei lieb!

Collection: 
1905

More from Poet

  •           

    Das Herz so voll, der Kopf so leer,
    Ich finde nichts als Worte;
    Sie tanzen auf, sie taumeln her,
    Und stets am falschen Orte.

    Das find’t sich nicht, das reimt sich nicht;
    Nur wirre Klagetöne.
    Das gibt mir ewig kein Gedicht
    An...

  •                     I

    Warum drängst du dich in meine Träume?
    Warum hemmst du meiner Schritte Lauf?
    Warum füllst du alle Himmelsräume,
    Blick’ ich nächtens zu den Sternen auf?

    Stör’ ich deiner Seele heil’gen Frieden,
    Warum machst du, Mädchen, dich so...

  •      

    Sieh die taufrische Maid,
    Erst eben erblüht;
    Durch ihr knappkurzes Kleid
    Der Morgenwind zieht.

    Wie schreitet sie rüstig,
    Jubiliert und frohlockt,
    Und ahnt nicht, wer listig
    Unterm Taxusbusch hockt.

    Der allerfrechste...

  • Wir waren Philister und merkten es, wie
    Die Kräfte des Geistes erschlafften;
    Da warfen wir uns auf die Philosophie,
    Die tiefste der Wissenschaften.

    Da haben wir gründlich uns eingeprägt
    Die Sprüche der großen Gelehrten;
    Und was man im Fleisch und im...

  •                

    Zum Wassertrinker bin ich nicht geboren,
    Das kann euch meine edle Muse zeigen;
    Sie singt beim Wein und fällt in tiefes Schweigen,
    Wenn sich der letzte Schluck im Bauch verloren.

    Dem Wasser hab’ ich ew’gen Haß geschworen,
    Weil ihm der...