Pompeji

               

in des neunzehnten Jahrhunderts zweiten Jahrzehent.

Mehr und mehr enthüllet sich uns, was die Erde bewahret,
     Mütterlich, sorgsam, beynah siebzehn Jahrhunderte lang.
Komme, in sie mich versenkend, in dieser Vorwelt zu leben,
     Komm’, Grabmälern vorbey, zierlich und glänzend zugleich;
Wie in dem Leben, so liebte der Alte im Tode zu wohnen,
     Heiter war sein Grab, wie es das Leben ihm war.
Rom ist gestürzet, zerstreuet die Asche der Erdebeherrscher,
     Gräber behalten allein hier noch die Asche getreu;
Ein wohlthuend Gefühl, nach langen, umwälzenden Zeiten
     Sterblicher letzten Beschluß immer befolget zu seh’n.
Sitze laden den Bürger, die müß’ge, die thätige Menge
     Aus dem Thor und hinein bunt sich bewegen zu seh’n.
Ueber das damals schon tief eingefahrene Pflaster
     Wandere in der Stadt Straßen ich sinnend einher,
An Kaufläden vorüber, an Häusern verschiedner Gewerbe;
     Auch Handmühlen sind da und die Backöfen bereit.
Auf das Forum geleiten die Straßen; am Ende desselben,
     Viele Stufen hinan, raget ein Tempel empor.
Und noch stehet die Bühne des Redners, er fehlet alleine;
     Immer fehlte auf ihr muthiges offenes Wort.
Seitwärts lächelt, umringt von Gemälden, der Tempel der Liebe;
     Unvergänglich wie sie bleibet die Herrschaft von ihr.
Dorten öffnet sich die Basilika, gleichfalls umsäulet,
     Wo der Reichthum, ach! öfter entschied als das Recht.
Damals schon war’s üblich, daß öffentliche Gebäude
     Wurden von müßiger Hand frevelnd verletzet durch Schrift,
Wie’s auch der Anblick hier von dieser Säule bezeuget;
     Besser war nicht der Mensch, übler im Gegentheil noch.
Durch gerad’ und gewundene Straßen, Anzeigen beschrieben,
     (Welche einander sich oft decken auf frischem Bewurf),
Führet der Weg dann bey den Theatern, den Gängen von Säulen,
     Manchen Gebäuden vorbey, hin auf den Mauern der Stadt,
Zu dem Amphitheater, das inwendig unten bemalt ist.
     Sehet den Löwen! er harrt noch auf das Zeichen zum Kampf.
Aus der Arena geht aufwärts ein Gang, der Inschrift vorüber,
     Die zuerst uns belehrt, daß das gepries’ne Gesetz,
Welches den Zustand der Sclaven erleichtert, durch Pansa entstanden;
     Es bringt weiter der Weg, wenige Schritte davon,
An das dicht bey einem Gewölb’ gelegne Triclinium;
     An dem Todtengastmahl sitzen drey Todte nunmehr.
Folgend der Mauer der Stadt gelanget der Waller zum Thore,
     Welches, weit und gewölbt, immer nach Nola noch führt.
Benachrichtigung wurde dem Fremdling schon bey demselben,
     Auf dem weißlichen Grund länglich geschrieben mit Roth.
Nur in Pompeji sieht man des Römers gewöhnliches Leben,
     Leben’s mit ihm; in Rom blos wir den herrschenden seh’n.
Alles ist in Pompeji, es fehlen einzig die Menschen,
     Alles lebt hieselbst, ach! und doch alles ist todt.
Helios hat sich in die Fluthen gesenket, mit dunkelen Fitt’gen
     Ziehet die Nacht vorbey, breitet sich über die Stadt;
Da tritt kein Gastfreund einladend entgegen, es wölbet
     Sich kein Dach zum Schutz für den Ermüdeten mehr.
Wehmuth dringt in die Brust und Thränen erfüllen die Augen,
     Rufen, Bewohner! nach euch, ach! und wir rufen umsonst,
Hohl und leer nur hallt die ewige, sehnende Klage
     Aus dem Gemäuer zurück in das beklommene Herz.

Collection: 
1829

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