Philisterangst

Mit Leichenbittermienen schauen
Sie drein, wenn sich ein Wetter ballt;
Es faßt ihr Herz ein tiefes Grauen,
Wenn nah und fern der Donner hallt.

Sie halten angstbeklemmt den Schnabel,
Zuckt flammend auf der Blitze Schein,
Sie legen Messer weg und Gabel,
Und schal im Glase wird der Wein.

Wie ist es feig doch und erbärmlich,
Wenn solche Furcht das Herz bewegt,
Wie jammervoll und karg und ärmlich
Sind solche Seelen angelegt, –

Die ständig unter Angst und Beben
Die purpurroten Wetter sehn,
Die ab und zu durchs Völkerleben
Befreiend und erlösend gehn.

Es windet in loyalen Krämpfen
Sich feig nur der geborene Knecht
Vor jenen großen Heldenkämpfen
Für ganzer Völker ew’ges Recht.

Mir weitet atmend beim Gewitter
In Mut und Hoffnung sich die Brust!
Und geht ein Eichenstamm in Splitter,
So jauchz ich auf in wilder Lust.

Mich hat von allen jenen Wettern
Das kleinste innerlich beglückt,
Und jedes morschen Throns Zerschmettern
Hat mich entflammet und entzückt.

Und sänk ich selbst, ein wunder Streiter,
Bedeckt von unsrer Fahnen Rot,
Auf grünen Plan – was wär es weiter
Als ein beneidenswerter Tod?

Collection: 
1901

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(1889.)

Als zu des schönen Friedensfestes Feier
Die Reiche alle la belle France entbot,
Da barg ein jedes hinter dichtem Schleier
Der Wange züchtiges, verschämtes Roth.
Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben –
Sie lehnten...

(1890.)

Das giebt ein ehrenreiches Jahr!
Du zwanzigster des Februar,
Wir werden dein gedenken
In hoher Lust, in Mannesstolz,
Bis sie im Sarg von Tannenholz
Uns in die Erde senken.

Nach langer Nacht ein glorreich Licht!
...

So oft ich noch zu Büchern der Geschichte
Geflüchtet mich in stiller, tiefer Nacht,
Der ernsten Sammlung tragischer Gedichte,
Wie sie kein Träumer brennender erdacht,
Hab’ ich die Blätter umgewandt mit Beben
Und scheu geschlossen das gewicht’ge Buch,
...

(Letzte Nummer des „Sozialdemokrat,“ 27. Sept. 1890.)

Ihr habt über ihn das Exil verhängt,
Ihr Ritter von Bibel und Säbel;
Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt
Und in Englands stickige Nebel;
Doch hat er sich allzeit der Feinde...

Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen,
Ich habe kaum ins Auge dir gesehn,
Und dennoch hast du meinen Stolz gebrochen –
Ein süßes Wunder ist an mir geschehn;
Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen,
Von scharfer Sichel nieder auch gemäht –
...