Von Glückes Zufall

Der ist ein Narr, der hochauf steigt, Daß seine Scham der Welt er zeigt, Und sucht stets einen höhern Grad Und denkt nicht an des Glückes Rad. Was hochauf steigt in dieser Welt, Gar plötzlich oft zu Boden fällt. Kein Mensch so hoch hier kommen mag, Der sich verheißt den künftgen Tag, Und daß er Glück dann haben will, Denn Klotho hält ihr Rad nicht still, Oder den sein Reichtum und Gewalt Vorm Tod einen Augenblick erhalt. Wer Macht hat, der hat Angst und Not, Viel sind um Macht geschlagen tot. Die Herrschaft hat nicht langen Halt, Die man muß schirmen mit Gewalt. Wo keine Lieb' und Gunst der Gemein', Da ist viel Sorge - und Freude klein. Es muß viel fürchten, wer da will, Daß ihn auch sollen fürchten viel. Nun ist die Furcht ein schlechter Knecht, Sie kann nicht lange hüten recht. Wer innehat Gewalt, der lerne Liebhaben Gott und ehr' ihn gerne. Wer Gerechtigkeit hält in der Hand, Des Macht kann haben gut Bestand; Des Herrschaft war wohl angelegt, Und dessen Tod man Trauer trägt. Weh dem Regenten, nach des Tod Man sprechen muß: "Gelobt sei Gott!" Wer einen Stein wälzt auf die Höh', Auf den fällt er und tut ihm weh, Und wer vertrauet auf sein Glück, Fällt oft in einem Augenblick. Aus: Das Narrenschiff, Übersetzung von 1494

Collection: 
1477

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