Väterliche Warnung

(1889.)

Mein Sohn, mein Sohn, geh’ nicht nach Paris,
Mein Sohn, ich rathe dir gut;
Vor der Stadt, die so lange als gastlich man pries,
Mein Sohn, sei fein auf der Hut!
Es lauern Gefahren am Seinestrand,
Man wittert sogleich den Spion,
Denn Frankreich, das ist ja ein wildes Land
Das meide und scheue, mein Sohn!

Mein Sohn, mein Sohn, geh’ nicht in die Schweiz,
Mein Sohn, ich rathe dir gut;
Auf Bergen, in Thälern, an Seen voll Reiz,
Da wohnt eine tückische Brut.
Gelockert ein jedes geheiligte Band,
Die Scham und die Sitte geflohn!
Auch die Schweiz ist ein wildes, gefährliches Land!
Das meide und scheue, mein Sohn!

Mein Sohn, mein Sohn, bleib’ lieber daheim,
Mein Sohn, ich rathe dir gut;
Sie senken verderblicher Neigungen Keim
Dir dort in dein christliches Blut.
Und mußt du verreisen um jedweden Preis,
Bist fest du im Innersten schon,
Dann, wenn auch nicht gerne, nun ja doch, dann sei’s –
Doch reise nach Rußland, mein Sohn!

Mein Sohn, mein Sohn, ich rathe dir sehr,
Es blüht die Kultur jetzt nur dort!
Durchstöbre die „Norddeutsche“ kreuz und quer –
Von Rußland kein tadelndes Wort!
Dort nur trifft verletzend und schnöde dein Ohr
Kein republikanischer Ton –
Du kommst wie daheim bald in Moskau dir vor,
Drum reise in Frieden, mein Sohn!

Collection: 
1893

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(1889.)

Als zu des schönen Friedensfestes Feier
Die Reiche alle la belle France entbot,
Da barg ein jedes hinter dichtem Schleier
Der Wange züchtiges, verschämtes Roth.
Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben –
Sie lehnten...

(1890.)

Das giebt ein ehrenreiches Jahr!
Du zwanzigster des Februar,
Wir werden dein gedenken
In hoher Lust, in Mannesstolz,
Bis sie im Sarg von Tannenholz
Uns in die Erde senken.

Nach langer Nacht ein glorreich Licht!
...

So oft ich noch zu Büchern der Geschichte
Geflüchtet mich in stiller, tiefer Nacht,
Der ernsten Sammlung tragischer Gedichte,
Wie sie kein Träumer brennender erdacht,
Hab’ ich die Blätter umgewandt mit Beben
Und scheu geschlossen das gewicht’ge Buch,
...

(Letzte Nummer des „Sozialdemokrat,“ 27. Sept. 1890.)

Ihr habt über ihn das Exil verhängt,
Ihr Ritter von Bibel und Säbel;
Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt
Und in Englands stickige Nebel;
Doch hat er sich allzeit der Feinde...

Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen,
Ich habe kaum ins Auge dir gesehn,
Und dennoch hast du meinen Stolz gebrochen –
Ein süßes Wunder ist an mir geschehn;
Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen,
Von scharfer Sichel nieder auch gemäht –
...